Wie orientiert man sich im Yoga-Dschungel

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Welches Yoga machst Du?

Als mir in der Vergangenheit diese Frage gestellt wurde, konnte ich gar nicht antworten. Meine Yogaklasse hatte keinen offiziellen Namen und der Stil war eher ein Mix aus vielen Elementen.

Selbst nach einem tieferen Einblick in die unterschiedlichen Yogasysteme und viele unterschiedliche Yogaklassen später, kann ich noch immer keine eindeutige Antwort geben. Wenn ich alleine praktiziere, mache ich „mein Yoga“. Dieses ist an meine Tagesform und meine aktuellen Bedürfnisse angepasst. Es finden sich Elemente von Meditation, Vinyasa Yoga, Hatha Yoga und Pranayama in unterschiedlicher Gewichtung in meiner persönlichen Praxis. Manchmal bleibe ich unerwartet in meinem Sitz, weil die Meditation sich so gut anfühlt. Ein anderes Mal ist es ein dynamischer Flow, der mir gut tut. Und zuweilen genieße ich eine Praxis mit Harmonium und Gesang.

Yogakommerzialisierung

Heute kennt so gut wie jeder den Begriff „Yoga“ und verbindet damit Entspannung, Sport, Gymnastik. Aber die Vielzahl an Yogaarten, die sich inzwischen entwickelt haben, lassen sich kaum mehr überblicken. Und die vorstehende Aufzählung ist bei weitem nicht abschließend.

Seit den 90er Jahren steht Yoga für ein Milliardengeschäft. Der wirtschaftliche Yogaumsatz wurde bereits im Jahr 2017 auf 65 Milliarden Euro geschätzt, Tendenz steigend. Für das Jahr 2025 wird weltweit ein Volumen von etwa 200 Milliarden Euro erwartet (Quelle: ScottMax).

Für die inzwischen geschätzt 300 Milliarden Yogis weltweit ist Yoga auch ein Lifestyle, der für Gesundheit und Selbstfürsorge steht. Die sogenannten Yogapants sind in einigen Teilen der Welt mehr Statement („ich bin hip und fit“) als Kleidungsstück. Und schicke Yogastudios sind aus großen Städten im Westen nicht mehr wegzudenken.

Wenig verwunderlich ist daher, dass viele Yogastile heute ebenfalls Markencharakter haben. Und Studios, die wie Franchise-Unternehmen funktionieren, sind keine Besonderheit mehr, wie beispielsweise Bikram-Yoga-Studios oder Jivamukti-Yoga-Studios überall in der Welt.

Aber ist diese Vielfalt wirklich ein neues Phänomen, das mit dem weltweiten Erfolg von Yoga zu tun hat?

Der Einfluss der Lehrer

Der moderne Yoga, wie wir ihn heute kennen, hat sich aus einem Austausch der indischen Kultur und der westlichen Kultur entwickelt. Dabei spielten die alten indischen Schriften zum Yoga und alten Yogatraditionen eine große Rolle. Aber es flossen auch Elementen der indischen Ringerkultur, sowie Einflüsse der westlichen Gymnastik- und Bodybuilderkultur hinein. Vor allem aber wurde der moderne Yoga von den Lehrern geprägt, die diesen in die Welt getragen haben.

Swami Vivekananda kam als erster Botschafter des neuzeitlichen Yoga in den Westen. 1893 sprach er als Vertreter des Hinduismus beim Weltparlament der Religionen. Hier präsentierte er Yoga vor allem als universelle spirituelle Praxis. Denn nach Meinung Vivekanandas mangelte es dem Westen vor allem an Spiritualität, die Indien den Brüdern und Schwestern im Westen bieten konnte. Besonders geeignet schienen ihm die Vedanta Philosophie sowie das Yoga des Patanjali und die Bhagavad Gita.

Anders als im Westen, wo Vivekananda (bedarfsorientiert) mehr Spiritualität predigte, rief er in Indien zu mehr körperliche Betätigung auf. Diesem Aufruf folgend entwickelten sich in Indien die Ursprünge der heutigen körperbetonten Yogabewegung (Asanapraxis). Zwei Strömungen erlangten im Westen besonders große Bekanntheit.

Showyoga aus Mysore

Tirumalai Krishnamacharya gilt als der Vater des modernen Yogas, der im Palast des Maharaja („Großer König“) von Mysore ein Yogatraining für die Söhne des Königs entwickelte, das auf körperliche Kraft, Durchhaltevermögen und Muskeltonus ausgerichtet war. In regelmäßigen Bühnenshows präsentierten er und seine Schüler einen modernen Yogastil, der stark beeinflusst war von westlicher Gymnastik und Übungen aus indischem Kampfsport. Ein bekanntes Beispiel hierfür sind die von ihm entwickelten Sonnengrüße Surya Namskar.

Wenn heute manchmal kritisiert wird, dass Yoga für einige nur noch instragram-taugliche Posen beinhaltet, vergessen wir, dass die Wurzeln unsere modernen Yoga auch schon beim Vater des modernen Yoga, Krishnamacharya, Show-Charakter hatte (Quelle: Yogaazur.fr):

Vor allem durch seine berühmten Schüler wurde der Yogastil aus Mysore im Westen und weltweit populär gemacht.

Krishnamacharyas berühmte Schüler

So gehört hierzu Indra Devi als erste Yogini im Westen, die als eine schwedisch-russisch-amerikanische Schauspielerin unter Krishnamacharya in Mysore gelernt hat und Yoga dann als körperliches Workout in den USA populär machte.

In Yogakreisen ebenfalls sehr bekannt ist B.K.S. Iyengar, der seinen Fokus auf die körperliche Anatomie setzte und Yoga als therapeutisches Instrument nutzte. Typisch für Iyengar Yoga, wie der nach ihm benannte Yoga Stil genannt wird, sind unter anderem eine sehr exakte Ausrichtung und die Verwendung von Hilfsmitteln wie Kissen, Stühle, Seile, Holzklötzchen usw., um die Wirkung von Asanas zu steigern oder Probleme der Ausübung aufgrund von Behinderungen zu umgehen.

Und dann war da noch Pattabhi Jois, der später das von ihm gelehrte Hatha-Yoga-System unter dem Namen Ashtanga Yoga bekannt machte. Ashtanga Yoga, ein sehr dynamischer und athletischer Yogastil, zeichnet sich durch eine Synchronisation von festgelegten Serien von dynamisch ausgeführten Yogastellungen mit dem Atem aus.

Auch die Kinder von Krishnamacharya, darunter zwei Söhne, trugen zur Bekanntheit des Mysore-Stil-Yoga bei: T.K.V. Desikachar mit seinem therapeutischen Vini-Yoga und T.K. Shribbhashyam, der den Yogastil seines Vaters mit den Lehren des Ayurveda kombinierte und nach Frankreich brachte.

Bodybuilder Yoga aus Kalkutta

Eine weitere körperbetonte Yogaströmung entsprang der bekannten Yogafamilie Ghosh aus Kalkutta. Aus dieser gingen zwei Brüder hervor, die beide körperbetonte Yogastile präsentieren sollten.

Aus dem älteren Bruder Mukunda Lal Ghosh wurde der später bekannte Yogananda, der den Bestseller „Autobiographie eines Yogi“ schrieb. Yogananda entwickelte Yogoda eine Mischung aus vereinfachten Yogahaltungen und energetisierenden Freiübungen.

Sein jüngerer Bruder war Bishnu Charan Ghosh, der primär Bodybuilder war.

B.C. Ghosh entwickelte, zunächst für das Training von Bodybuildern, die berühmte Asanafolge, die einer seiner Schüler, Choudhury Bikram, als Hot-Yoga oder auch Bikram Yoga in den Westen brachte. Spannend hierzu ist der Film Bikram: Yogi, Guru, Predator).

Yoga lebt von Lehrer und Schüler

Schon lange vor dem, was wir als modernen Yoga kennen, war der Yoga in höchstem Maße durch den Lehrer bzw. Guru geprägt. Dieser lebte in mehrjähriger Schüler-Lehrer-Beziehung mit seinem Schüler, um diesem in mündlicher Überlieferung die Geheimlehre Yoga zu übertragen.

Und auch später, als die ersten indischen Lehrer im 19. Jahrhundert unterschiedliche Yogastile entwickelten, in den Westen brachten und dort unterrichteten, hat jeder von ihnen dem Yoga seinen eigenen Stempel aufgedrückt, sei es durch die Vermischung mit westlichen Einflüssen oder durch die Anpassung auf spezifischen Bedürfnisse ihrer Schüler.

Unverändert entwickeln sich seither immer wieder neue Yogastile, die mit unterschiedlichem Fokus die drei Haupt-entwicklungsstränge des Yoga, nämlich Yoga als Philosophie, Yoga als Therapie und Yoga als Sport, miteinander verweben. Im Ergebnis führt das zu einem immer größer werdenden Pool an Auswahlmöglichkeiten. Gerade als Anfänger kann das verwirrend sein, wenn man sich seinen für sich passenden Yogastil sucht.

Da aber auch innerhalb eines Yogasystems oder -stils der einzelne Lehrende (mit seinen Erfahrungen und seinem Unterrichtsstil) und seine Schüler eine Yogaklasse maßgeblich beeinflussen, empfehle ich sich bei der Auswahl des für einen passenden Yogas vor allem unterschiedliche Lehrer (ruhig auch mit unterschiedlichen Stilen) auszuprobieren.

Denn Yoga ist und bleibt ein Werkzeug, das von jedem Menschen anders eingesetzt werden kann, unabhängig davon wie ich das spezifische Werkzeug nenne.

Yoga in Indien heute – Fokus auf Yogatherapie

Bis heute unterscheidet sich die Yogakultur in Indien deutlich von dem, wie wir im Westen Yoga praktizieren.

So wird in Indien in der Regel kein Gruppen- oder Klassenunterricht angeboten. Das liegt daran, dass Yoga als Therapie die meistverbreitete Form von Yoga in Indien darstellt. Hier wird in klinikartigen Yogainstituten ein auf den jeweiligen Schüler/Patienten eine maßgeschneiderte Praxis zusammengestellt, die dieser zunächst unter Anleitung und später oder parallel zuhause anwenden soll.

Der Gruppenunterricht – ein Yoga für alle – ist indes die Ausnahme und richtet sich in der Regel an die Ausbildung von Yogalehrenden oder an Ausländer.

MINIM YOGA als Mix

Ich selbst genieße die Energie, die sich daraus ergibt, mit einer Gruppe von mehreren Schülern Yoga zu praktizieren, unabhängig davon, ob ich selbst einer davon bin oder unterrichte.

Zugleich habe ich durch das Unterrichten erkennen müssen, wie unterschiedlich wir Menschen doch voneinander sind. Nicht nur, weil in einer offenen Studioklasse unterschiedliche Level, Alter, Geschlechter und Zielsetzungen zusammenkommen, sondern auch, weil selbst in einer vergleichsweise homogenen Klasse (beispielsweise in einem Teachertraining) jeder Körper anders ist.

Um dem besser gerecht zu werden und auf den einzelnen eingehen zu können, bevorzuge ich den Einzel- und Kleingruppenunterricht in privater Atmosphäre. Hier- in einem geschützten Raum – fällt es leichter sich als Praktizierender auf sich selbst zu konzentrieren und in die eigene Mitte zukommen. Um alles loslassen zu können.

Und als Begleiter kann ich meinen Unterricht besser auf die Bedürfnisse des Einzelnen und die körperlichen Besonderheiten ausrichten.

Viel Freude an Deinem Yoga – egal wie Deine Praxis heute für Dich aussehen mag.

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