Schlagwort: Loslassen

  • Freiheit – eine berechtigte Sehnsucht?

    Freiheit – eine berechtigte Sehnsucht?

    Wenn ich an Freiheit denke, kommt mir das Gefühl von physischer Freiheit, von Möglichkeit, Leichtigkeit und Unbeschwertheit in den Kopf.

    In diesem Sinne ergibt sich durch das Anhäufen von Dingen, aber auch von Ideologien und Geschichten, an denen wir festhalten und mit denen wir uns selbst beschränken, zwangsläufig das Gefühl von Unfreiheit.

    Wir kennen das schon aus dem Urlaub: wie einfach war das Verreisen als junger Mensch? Ein Rucksack prall gefüllt mit dem Nötigsten und los ging es. Hat man hingegen Kinder gilt es vorausschauender zu packen. Gegebenenfalls angepasst an unterschiedliche denkbare Wetterlagen, vorsorglich für etwaige Unfälle und Krankheiten und an die jeweiligen Bedürfnisse der kleinen Familienmitglieder kommt da so einiges zusammen. Und zudem sammeln sich Souvenirs wie Steine, Muscheln, Mitbringsel an, die unbedingt auf der Rückfahrt mit zurückgebracht werden müssen. Da ist das Packen für die Rückfahrt alles andere als unbeschwert und leicht.

    Ob im Alltagsleben, im politischen Sinne, unter dem Gesichtspunkt Simple Life oder in der Yoga-Philosophie – Freiheit ist Motivation, Ziel, Wunsch. Vielleicht basiert unser heutiges Verständnis von Freiheit aber auch einfach auf einem Missverständnis.

    Was ist Freiheit

    Bereits die Auseinandersetzung mit dem Begriff zeigt, dass unterschiedliche Kontexte und unterschiedliche Kulturen ein völlig anderes Verständnis von Freiheit haben können.

    Die politische Freiheit, wie sie in vielen Verfassungen, wie unserem Grundgesetz, Niederschlag gefunden hat, sichert in Form von Freiheitsrechten die grundlegenden Rechte jedes Menschen. Diese Art der Freiheit ist nicht absolut. Sie kann durch weitere Gesetze eingeschränkt werden, wenn dies zum Schutz anderer Rechtsgüter oder zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist. Wir konnten das zuletzt in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 bis 2022 erfahren. Aber die politische Freiheit schenkt uns eine Basis für Stabilität und Sicherheit.

    Neben der politischen Freiheit, denken wir im Westen bei Freiheit oft an Entscheidungsfreiheit, die Freiheit etwas zu tun oder zu lassen (positive Freiheit) oder die Freiheit von beispielsweise Krankheiten oder Einschränkungen (negative Freiheit). Dabei zeigt sich, dass wir, die wir im politischen Sinne ein freies Leben führen dürfen, oft weniger an eine kollektive Freiheit als vielmehr an unsere individuelle Freiheit denken.

    Das Wissenschaftsjahr 2024 hat sich dem Thema „Freiheit“ gewidmet. Insbesondere das „Freiheitsarchiv“ dokumentiert den heutigen Freiheitsbegriff in unserer Gesellschaft.

    Betrachtet man die indogermanische Herkunft des Wortes „Freiheit“ hat der Begriff seine heutige Bedeutung über das germanische 

    *frī-halsa = „jemand, dem sein Hals selbst gehört“,

    der also über seine Person selbst verfügen kann, erhalten. Ebenfalls aus der indogermanischen Wurzel lässt sich etymologisch herleiten, dass jemand, der frei ist, zu einer Gemeinschaft von einander Nahestehenden und Gleichberechtigten gehört. Innerhalb dieser Gemeinschaft herrscht ein friedlicher Zustand. Die Gemeinschaft ist bereit, diesen inneren Frieden gemeinsam gegen Übergriffe von Dritten verteidigen. Somit war „Freiheit“ im Sinne einer individuellen Freiheit als Rechtsstatus relativ zu einer Gemeinschaft und im Sinne einer kollektiven Freiheit an die Bereiche gebunden, in denen die Gemeinschaft normative Herrschaft ausübt.

    In der philosophischen Betrachtung westlicher Philosophien stellt sich vor allem die Frage, wie weit Freiheit gehen darf und wodurch sie aus sich selbst heraus beschränkt ist. So wurde beispielsweise durch den kategorischen Imperativ nach Kant definiert, dass der Mensch nur frei handelt, wenn er pflichtgemäß (nach seiner vernunftbasierten Beurteilung) handelt.

    Freiheit in der Alltagswahrnehmung

    Im Erwachsenendasein finden wir uns oft mit Beruf und Familie in einem Gestrick von Verantwortungen und Verpflichtungen, was uns das Gefühl von „Un-Freiheit“ vermittelt. Die meisten von uns denken daher bei „Freiheit“ vor allem an Selbstbestimmung, aber auch Abenteuer und Loslassen. Oft sind diese Gedanken mit einer Sehnsucht verbunden. Zugleich sind Beruf und Familie doch gerade die Dinge, von denen wir vielleicht in jungen Jahren geträumt haben. Die wir angestrebt haben.

    Woher kommt es also, dass sogar diejenigen von uns, die ein Leben führen dürfen, dass den vormaligen Träumen gerecht wird, manchmal ein Gefühl der Sehnsucht nach „Freiheit“ haben?

    Alles ein großes Missverständnis?

    Wenn wir bei dem Verständnis von Freiheit als Entscheidungsfreiheit für und gegen etwas bleiben, dann setzt dieses Verständnis voraus, dass jeder von uns ein „Träger“ der Eigenschaft des „Freiseins“ sein kann. Diese Idee setzt also voraus, dass es ein Selbst gibt, das frei sein soll oder darf. Im Yoga wird ein solches Selbst als „Atman“ bezeichnet.

    Im Zen-Buddhismus indes wird ein solches Selbst als solches negiert. Der Buddha soll zu der Erkenntnis gekommen sein, dass es kein Atman gibt („An-Atman“) und somit auch keine eigenständige Substanz wie das Ich, die frei sein kann oder nicht.

    Der Freie Wille

    Wenn man diesen Gedanken weiterspinnt, folgt daraus, dass auch der Freie Wille nicht existiert. Echte Selbstbestimmung setzt jedoch einen freien Willen voraus.

    Aus vielen Wissenschafts-Bereichen, wie beispielsweise der Neurowissenschaft und Humanbiologie, bringen jüngere Beobachtungen und Forschungsergebnisse das Konzept des freien Willens ins Wanken. Das, was wir als Ich wahrnehmen, zeigt sich als unglaublich leicht beeinflussbar und impulsiv, wobei die Einflüsse nicht nur von außen, sondern auch aus unserem Inneren erfolgen können (Stichwort Mikrobiom).

    Insofern erscheint das Konzept des Zen-Buddhismus, wonach nichts aus sich heraus unabhängig, substantiell oder von Dauer ist, sondern alles als Wechselbeziehung erscheint, stimmig.

    Wenn wir Entscheidungen treffen, stehen sich oft in Wechselbeziehung zwei oder mehr Impulse gegenüber, beispielsweise bei der Frage: „Soll ich heute Yoga praktizieren oder lieber auf der Couch entspannen“. Diese Impulse sind jedoch nicht frei gewählt, sondern präsentieren sich von außen und/oder innen und eine vermeintlich durch den freien Willen getroffene Entscheidung ist eher eine Kontrolle der auf einen einstürmenden Impulse.

    Was wir für unseren Alltag als Freiheit gewinnen können

    Wenn wir uns „un-frei“ in unserem Alltag fühlen, kann man dies auf eine Vielzahl möglicherweise auch stärkerer Impulse zurückführen, die von außen (und gegebenenfalls auch von innen) auf uns einwirken. Daher fühlen wir uns auch manchmal so „getrieben“.

    Im Kontext des Zen-Buddhismus ist jeder von uns nicht ein (isoliertes) Selbst, sondern Teil eines Ganzen und folglich ist alles, was in jedem Moment ist – uns eingeschlossen – ein Ergebnis von Wechselbeziehungen und genauso so wie es sein soll. Daraus resultiert die Freiheit von dem Wunsch, dass es doch anders sein sollte, und die Akzeptanz dessen, was ist, kann leichter fallen.

    Nichtsdestotrotz ist es aus meiner Sicht wichtig, Missstände im eigenen Leben als solche zu identifizieren und diese im Rahmen des Möglichen zu ändern. Hierzu ist es notwendig, sich mit sich Selbst (nicht nur als individuelles Ich, sondern auch zur Beurteilung innerer Impulse) zu beschäftigen.

    In der Yoga-Philospohie wurde Freiheit oftmals als Befreiung von etwas gesehen. Moksha, die Befreiung aus dem Lebenskreislauf Samsara, und die Erkenntnis des wahren Selbst (Atman) durch Abstreifen des Schleiers des Vergessens. Oder als das Erinnern daran, dass wir alle eins sind mit dem EINEN Bewusstsein. Die Yogapraxis, sowohl in einer körperlichen Praxis als auch in Beschäftigung mit philosophischen Fragen und in Meditation sollte dabei helfen, Zugang zu seinem Innersten zu finden.

    Yoga und Bewusstheit

    Im alltäglichen Leben kann uns Yoga unterstützen, zu erfahren, wer wir wirklich sind. Nicht zur Selbstoptimierung, sondern für Selbsterkenntnis. In gleicher Weise helfen auch einfache kleine Momente des Innehaltens und ein achtsamer Umgang mit unseren eigenen Ressourcen (Zeit, Energie, Geld).

    So kann es hilfreich sein, sich darauf besinnen, in wie weit die Verantwortungen und Einschränkungen, die ich als negativ erlebe, mit meinen Entscheidungen für etwas zusammenhängen. Auf diese Weise ist es möglich, bei zukünftigen Entscheidungen diese Erfahrung als weiteren Impuls mit einfließen lassen. Mein „JA“ zu einer Sache ist ursächlich für spätere Einschränkungen, mit denen ich rechnen musste.

    Auch umfassen unsere Entscheidungen oft ein Anhäufen von materiellen Dingen in unserem Leben, die uns zusätzlich das Gefühl von Un-Freiheit vermittelt. Besitz belastet. Daher kann das Loslassen von materiellen Besitztümern und den damit verbundenen Verantwortungen auch als sehr befreiend erlebt werden.

    Schmerz ist unvermeidlich, Leiden ist eine Option – was uns widerfährt, Positives wie Negatives, können wir nur sehr beschränkt beeinflussen. Wie wir darauf reagieren indes schon. Darin wurzelt nach den Lehren des Buddha die wahre Freiheit des Menschen. Indem wir nicht ungefiltert und unmittelbar reagieren, sondern Raum lassen, unsere Reaktion und Emotion auf negative Erlebnisse zu beobachten, können wir aus typischen Mustern ausbrechen und darin eine neue ungeahnte Freiheit entdecken.

    Es mag dahinstehen, ob wir über einen freien Willen verfügen oder nicht. Entscheidend ist, ob wir uns frei fühlen. Und für dieses Gefühl können wir einiges tun. Indem wir unsere Wahrnehmung des alltäglichen Lebens verändern und unsere Sichtweise darauf. Und indem wir selbsterschaffene Fesseln als solche erkennen und abstreifen.

  • Loslassen und Unterstützen – im Yoga, im Leben

    Loslassen und Unterstützen – im Yoga, im Leben

    Wir müssen nicht nur im Leben, sondern auch im Yoga lernen loszulassen. Viele unserer Erfahrungen lassen sich von der Matte auf unser Leben übertragen. Im Falle von traumatischen Erlebnissen und Verlusten ist die Unterstützung durch geschulte Begleitung wichtig. Zudem kann man die leidvollen Erfahrungen möglicherweise nicht loslassen, aber vielleicht transformieren.

    „Leben ist Leiden“Der Buddha

    Zunächst ist das Zitat eine bekannte, sehr verkürzte Darstellung der Lehre des Buddha, Siddhartha Gautama.

    Nach der ersten der vier edlen Wahrheiten des Buddha ist das Leben in seiner essentiellen Natur Dukkha . Es ist voller Schmerz, Krankheit, Altern und Tod (Dukha steht für Leiden, aber auch für das Gefühl von Unvollkommenheit).  Und selbst in unseren Momenten der Freude ist Dukkha präsent, da kein Glück ewig währt und der Verlust des Glücks wiederum Leid verursacht.

    Das klingt zunächst nicht sehr optimistisch, bringt aber letztlich nur auf den Punkt, was die meisten von uns beobachten:

    Leid ist ein unvermeidbarer Teil des Lebens.

    In der zweiten edlen Wahrheit erfahren wir, woher das Leid rührt, nämlich aus unseren Begierden und Anhaftungen. Unsere Unfähigkeit, loszulassen und die Vergänglichkeit aller Dinge anzunehmen, führt zu Leiden.

    Indem wir also lernen, unser Leben und uns selbst so anzunehmen wie es ist bzw. wir sind, und nicht mehr an Vorstellungen und Erwartungen festzuhalten, können wir uns von diesem Leid befreien (dritte edle Wahrheit des Buddha). Einen möglichen Weg zeigt der Buddha in seiner vierten edlen Wahrheit: den edlen achtfachen Pfad.

    Wer sich hier vielleicht in Kenntnis der Yogaphilosphie, beispielsweise an die Yoga-Sutras nach Patanjali erinnert fühlt, liegt nicht falsch. Siddhartha Gautama, der historische Buddha, lebte im 6. oder 5. Jahrhundert v. Chr. und entwickelte den Buddhismus, während Yoga-Philosophie und -Praktiken in Texten wie den Upanishaden und den Yoga-Sutras von Patanjali, die etwa zeitgleich oder etwas später entstanden sind, dokumentiert wurden.

    Loslassen im Yoga

    Viele philosophische und praktische Ansätze des Yoga haben daher das primäre Ziel des Loslassens als Weg aus dem Leid des Lebens. Für uns praktisch umgesetzt kann ein erster Schritt darin bestehen, in unserer Praxis auf der Matte das Loslassen zu üben.

    Loslassen in eine Asana, loslassen in der Meditation, loslassen im Pranayama. Dabei ist es – wie im Leben – ein Prozess, nicht einfach unangenehme Empfindungen zu verdrängen, sondern in dem Moment zu bleiben und dabei „nur“ zu sein. Oft neigen wir dazu, alles zu bewerten und zu durchdenken.

    „Der Muskel zieht“, „ich will nicht mehr, das ist zu anstrengend“, „wie lang geht das noch?“ – Das alles sind Gedanken und Bewertungen, die uns in der unserer Praxis auf der Matte begegnen. Statt zu bewerten, können wir das Ziehen im Muskel, die Anstrengung in einer Asana, das Zwicken im Sitzen, aber auch annehmen, beobachten, darin „sein“.

    Indem wir die Situation lernen zu akzeptieren, lassen wir die Erwartung, dass es anders sein sollte, los. Diese Art des Loslassens verbunden mit Akzeptanz des IST-Zustands, können wir von der Matte in unser Leben mitnehmen.

    Traumatische Erlebnisse und Trauer

    Ich möchte hier betonen, dass traumatische Erlebnisse also überwältigende Erfahrungen, die mit extremen Gefühlen von Ohnmacht und Hilflosigkeit einhergehen, hiervon zunächst auszunehmen sind. Dazu zählen nicht nur offensichtliche Extremsituationen wie Krieg, Folter oder sexueller Missbrauch, sondern auch andere belastende Ereignisse wie schwere Unfälle, Naturkatastrophen oder psychische Gewalt. Ein traumatisches Erlebnis kann eine schockierende, beängstigende oder gefährliche Erfahrung sein, die eine Person emotional stark beeinflusst.

    Im Fall von traumatischen Erlebnissen und Verlusten ist die Begleitung durch geschulte Begleiter, in Form von Therapeuten und ggf. Lehrer, die traumsensibles Yoga anbieten, hilfreich.

    Auch der Verlust eines geliebten Menschen kann ein solches traumatisches Erlebnis darstellen. Jeder der dies schon durchlebt hat, weiß wie schwer es fällt, loszulassen. Unabhängig davon, wer dieser Mensch für einen selbst war, bleibt nach dem Verlust die Liebe für ihn ohne greifbares Ziel. Und daraus entsteht das Gefühl der intensiven Traurigkeit.

    Aber kann und soll man diese ziellos gewordene Liebe einfach loslassen? Und was können wir im Yoga lernen, um mit Verlust umzugehen?

    Sternenkinder – ein besonderer Verlust

    Häufiger als unsere Gesellschaft erahnen lässt ist der Verlust eines Kindes. Insbesondere über die sogenannten Sternenkinder, d.h. Kinder, die vor, während oder kurz nach der Geburt sterben, wird nicht oder wenig gesprochen. Umso schwieriger ist es für Eltern und Familienangehörige die damit einhergehende Trauer zu verarbeiten.

    Als wir unseren Sohn in den letzten Wochen der Schwangerschaft verloren haben, waren wir sowohl unmittelbar mit dem schmerzhaften Tod unsere Kindes, aber auch mit der Einsamkeit in der Trauer konfrontiert. Gerade der Weg nach diesem Verlust war für uns als Familie unglaublich schwer, weil unsere Gesellschaft mit dieser Art von Trauer nicht (mehr) umgehen kann.

    Unterstützung für Betroffene

    Glücklicherweise sind uns viele wunderbare Menschen begegnet, Bekannte im direkten Umfeld aber auch bis dato Unbekannte, die uns unterstützt haben. Indem sie zugehört haben und indem sie uns unsere Erfahrung haben teilen lassen.

    Eine große Unterstützung kam zudem von Organisationen, wie in München den Verwaisten Eltern und der Beratungsstelle für Natürliche Geburt und Elternsein e.V.. Letztere bietet u.a. einen Rückbildungskurs für Mütter, die vor, in oder kurz nach der Geburt ihre Kinder gehen lassen mussten.

    Ohne Menschen, die bereit sind, anderen in schweren Momenten beiseite zu stehen, ist jede Art der Trauer überwältigend.

    Lass doch einfach los?

    In der Trauer bekommt man manchmal von Freunden und Familienmitgliedern den eigentlich gut gemeinten Rat zu hören, man müsse den geliebten Menschen oder die Trauer um ihn loslassen.

    Ich selbst habe diesen Rat nicht gut aufgenommen und möchte ihn auch nicht in dieser Weise weiter geben.

    Was ich aber gelernt habe, ist, dass auch aus der Trauer mit der Zeit etwas schönes wachsen kann, nämlich der Wunsch, andere zu unterstützen.

    Transformation von Leid und Trauer

    Neben dem Loslassen von Anhaftungen kann beispielsweise die Liebe für jemanden (als Ursache der Trauer) transformiert werden: in Unterstützung.

    Unterstützung lässt sich auf wundervolle Weise für jeden in irgendeiner Form umsetzen, wenn man soweit ist, sie zu geben. Sei es in einer vergleichbaren Situation anderen Familien zur Seite zu stehen, sei es finanziell durch Spenden oder auf andere Weise. So kann man beispielsweise Tabuthemen wie Kindsverlust in die Öffentlichkeit tragen, um diese wieder zu enttabuisieren.

    Egal wie man dies umsetzen möchte und wieviel Zeit vergeht, ehe man sich dazu bereit fühlt, können belastende Gefühle und Gedanken in etwas – auch für einen selbst – Positives umgewandelt werden.

    Für mich wurde durch die Transformation ein Loslassen der negativen Gefühle im Zusammenhang mit dem Tod unseres Sohnes möglich. Und ich konnte so an dem Schönen festhalten, nämlich dass es ihn gegeben hat.

    „Loslassen ist nicht das Ende des Weges; es ist der Beginn der wahren Freiheit.“Paramahansa Yogananda

    Geben und Spenden

    Man muss nicht betroffen sein, um zu unterstützen.

    Sich damit auseinander zu setzen, dass Krankheit, Tod und Trauer Teile unseres Lebens sind und damit jeden früher oder später betreffen, ist aus meiner Sicht ein erster Schritt. Denn ich habe manchmal den Eindruck, dass wir Tod und Krankheit in unserer Gesellschaft am liebsten verstecken, vergessen und totschweigen möchten. Natürlich ändert das aber nichts am natürlichen Lauf der Dinge.

    Wenn wir uns hingegen wieder eingestehen, dass diese Teile genauso zu uns und unserem Leben gehören wie Freude, Gesundheit und Leben, dann können wir auch für andere da sein. Zuhören. Nicht wegschauen oder uns wegducken, sondern aushalten und bleiben. Auf diese Weise müssen sich Betroffene in ihrer Trauer nicht wie Aussätzige fühlen.

    Auch können wir Organisationen, die diese Aufgabe professionell übernehmen mit unserer Zeit und/oder unserem Geld unterstützen.

    Die Leere Wiege

    MINIM YOGA unterstützt insbesondere die Leere Wiege, den Rückbildungskurs der Beratungsstelle für Natürliche Geburt und Elternsein e.V. in München.

    Leider sieht die Finanzierung des sozialen Bereichs in ganz Deutschland in den kommenden Jahren nicht rosig aus. Die Zuschüsse steigen nicht in gleichem Maße wie die Kosten, Einsparpotentiale sind in einem Bereich, der immer schon sehr sparsam mit öffentlichen Geldern umgehen musste, kaum vorhanden, Defizite wachsen weiter.

    Für die Beratungsstelle für Natürliche Geburt und Elternsein e.V. bedeuten die Kürzungen konkret, dass allein im Jahr 2025 mindestens weitere 20.000 € für die Beratungs- und Kursangebote fehlen, die nur durch Spendengelder aufgefüllt werden können. Besonders regelmäßige Spenden sind für Organisation wie diese eine große Hilfe (Spendenportal der Beratungsstelle für Natürliche Geburt und Elternsein e.V.).

    Geben in der Yoga-Philosophie

    Unzählige Begriffe und Konzepte in der Yogaphilosophie, insbesondere in den alten Texten wie der Bhagavad Gita oder den „Yoga Sutras“ von Patanjali beschrieben, belegen eine tiefe und nuancierte Perspektive des Yoga zum Thema Geben oder Dharma (Pflicht, moralisches Handeln).

    Beispiele gefällig? Hier sind sie:

    Seva

    Eine der wichtigsten Praktiken im Yoga ist Seva, das bedeutet, selbstlosen Dienst zu leisten (Bhakti Yoga). Dies wird als Weg gesehen, um das Ego zu transzendieren und die Verbindung mit allen Lebewesen zu fördern. Durch das Geben ohne Erwartung einer Gegenleistung entwickelt man Mitgefühl und Liebe.

    Karma Yoga

    Einer der vier Hauptwege des Yoga ist Karma Yoga, der Weg der selbstlosen Handlung. Hierbei wird betont, dass Handlungen (inklusive das Geben) ohne Anhaftung an die Ergebnisse durchgeführt werden sollen. Das Ziel ist es, sich von den Ketten des Karma zu befreien, indem man handelt, um zu dienen, nicht um zu erlangen.

    Ahimsa

    Ahimsa bezeichnet eines der Yamas (moralischen Gebote) in der Yogaphilosophie nach Patanjali, und es ermutigt zu einer Haltung des Gebens durch Nicht-Verletzen und Liebe zu allen. Das Geben wird hier als Ausdruck von Mitgefühl und Verständnis für das Leid anderer gesehen.

    Dharma

    Das Konzept des Dharma umfasst das moralische und ethische Verhalten, das für das Wohl aller beiträgt. Geben ist Teil dieses Pflichtbewusstseins, das sich auf das Wohlergehen der Gemeinschaft und die Balance im Universum konzentriert.

    Zusammengefasst betrachtet die Yogaphilosophie das Geben als integralen Bestandteil des spirituellen Wachstums und der Selbstverwirklichung. Es ist eine Praxis, die nicht nur den Empfänger, sondern auch den Gebenden erhebt, indem sie das Ego verringert, Mitgefühl fördert und das Bewusstsein für die Einheit allen Lebens verstärkt.

    Fazit

    Für andere da zu sein, Empathie zu zeigen, ist eine zentral menschliche Eigenschaft. In vielen philosophischen und spirituellen Traditionen wird Empathie als wesentlicher Teil der menschlichen Natur betrachtet, der zur moralischen und spirituellen Entwicklung beiträgt. Zum Beispiel in der Yogaphilosophie oder in christlichen Lehren über Nächstenliebe.

    Ungeachtet dessen, dass meiner Ansicht nach auch andere Lebewesen emphatisch sind, fühlt sich das eigene Leben für mich erfüllter an, wann immer ich aktiv etwas zurückgeben darf.

    Vielleicht findest auch Du einen Weg, für andere da zu sein. Und vielleicht kann eine solche Unterstützung auch Dir einmal in einer schwierigen Zeit im Leben helfen, weiter voranzugehen…

    Solltest Du gerade selbst von dem Verlust eines Kindes betroffen sein, erwäge bitte die Kontaktaufnahme mit lokalen Verbänden, ähnlich den hier genannten. Der persönliche Austausch mit Menschen, die in einer ähnlichen Weise betroffen waren oder sind, kann ungemein hilfreich sein.

  • Shavasana – the art of letting go

    Shavasana – the art of letting go

    Shavasana (auch „Savasana“), die klassische Abschluss-Haltung einer jeden Yogastunde, gilt als eine der grundlegendsten und zugleich wichtigsten Asanas im Yoga. Diese Haltung ist besonders dafür bekannt, dass sie den Körper und Geist tief entspannt, was für das Wohlbefinden und die Regeneration essenziell ist.

    Eine Asana mit vielen Namen

    Das Wort „Shavasana“ auf Sanskrit lässt sich in seine Bestandteile, d.h. in seine Wortwurzeln, wie folgt aufteilen:

    • Shava (शव) bedeutet „Leiche“.
    • Asana (आसन) bedeutet „Sitz“ oder „Haltung“.

    Zusammen übersetzt bedeutet Shavasana also wörtlich „Leichenhaltung“.

    Neben der im deutschsprachigen Raum sehr viel benutzten Bezeichnung Shavasana ist die Haltung auch als Mritasana (mṛtāsana, von mṛta „Toter“) bekannt. In Frankreich findet sich in Yogaklassen oft direkt die Übersetzung von Shavasana, nämlich „Posture du Cadavre“.

    Von LuNa Schmidt, die im deutschsprachigen Raum sehr bekannt ist für ihre Arbeit im Bereich des modernen Yoga und die sich mit Yoga, Faszien und spirituellen Aspekten in ihren Büchern und vielzähligen Artikeln beschäftigt, habe ich die Bezeichnung „Shanti-Asana“ gelernt (angelehnt an die Sanskritwurzel śama – mit der Bedeutung ruhig, still ). Hierdurch wird eine Art poetische oder spirituelle Bezeichnung für eine Haltung oder eine Praxis geschaffen, die auf Entspannung und innere Gelassenheit abzielt.

    Shavasana – die Haltung der Toten?

    Über die Bedeutung dieses Asana-Namens kann man viel philosophieren. Und auch über die Frage, warum wir im deutschsprachigen Raum lieber den Sanskritbegriff verwenden als die Franzosen. Ich selbst habe nur in weiterführenden Workshops die Lehrer darüber sprechen gehört, was Shavasana bedeutet. In gängigen deutschsprachigen Yogaklassen hingegen bleibt es beim wohlklingenden Sanskritbegriff. Bei französischen Yogalehrern hingegen zuckt nach meiner Erfahrung auch in der offenen Yogaklasse keiner der Schüler, wenn zum Einnehmen der Haltung der Leiche eingeladen wird.

    Der Tod ist in Frankreich ein Thema, das sowohl in der Literatur als auch in der Philosophie tief verwurzelt ist, was zu einer offenen Diskussion und Reflexion über Sterben und Tod führt. Es gibt eine starke Tradition der philosophischen Auseinandersetzung mit dem Tod, wie bei Existenzialisten wie Sartre oder Camus. Vielleicht liegt hierin die größere Offenheit auch im Yoga, Shavasana ohne Scheu mit dem Tod in Verbindung zu bringen.

    Ein gängiges Verständnis der Leichenhaltung Shavasana ist, dass sie die völlige Entspannung und Bewegungslosigkeit der Asana beschreibt, in der der Praktizierende in eine tiefe Ruhe versunken ist, ähnlich dem Zustand eines Leichnams.

    In einer tiefergehenden Interpretation geht es jedoch auch um die Auseinandersetzung mit der Frage, was von einem bleibt, wenn man Äußerlichkeiten, Identifikationen und schlicht den eigenen Körper loslässt (wie dies auch im Tod geschieht). Man verbindet sich mit seiner tiefsten Essenz, seinem Atman. Atman bezeichnet die wahre, ewige, unveränderliche Essenz des Individuums beschrieben, die wir auch als Seele oder das Selbst bezeichnen. Es ist das, was über den physischen Körper, den Geist und die Emotionen hinausgeht. Manche Yogis sagen auch, dass man in Shavasana den Umgang mit der eigenen Sterblichkeit üben kann. Denn erst, wenn man die Angst vor dem eigenen Tod überwunden hat, ist man wirklich frei.

    Ursprünge von Shavasana

    Hinduistische Tradition und Yoga-Sutras:

    • Vedische Wurzeln: Shavasana hat seine Wurzeln tief in der vedischen Tradition Indiens. Es wird angenommen, dass die Praxis der Entspannung und Meditation schon seit Jahrtausenden in indischen spirituellen Praktiken existiert.
    • Patanjali’s Yoga-Sutras: Shavasana wird implizit in den Yoga-Sutras von Patanjali erwähnt, die etwa im 2. Jahrhundert v. Chr. zusammengestellt wurden. Obwohl nicht explizit als „Shavasana“ benannt, sind die Konzepte der Entspannung und Meditation (wie in Pratyahara, Dharana und Dhyana) integraler Bestandteil der Yoga-Philosophie.

    Tantrische und Hatha-Yoga Einflüsse:

    • Tantrismus: In tantrischen Praktiken wird die Entspannung und die Verbindung mit dem eigenen Körper oft als Vorbereitung für höhere meditative Zustände verwendet. Shavasana könnte hier als Methode zur Energieregulierung und Bewusstseinserweiterung betrachtet worden sein.
    • Hatha Yoga: Mit der Entwicklung des Hatha Yoga, insbesondere durch Werke wie das „Hatha Yoga Pradipika“ (15. Jahrhundert n. Chr.), wurde die Bedeutung von Entspannung und der Vorbereitung auf Meditation verstärkt. Hier wird Shavasana als eine Methode zur Regeneration und Vorbereitung auf andere Asanas und Pranayama-Übungen beschrieben.

    Moderner Yoga:

    • Integration in moderne Yoga-Stile: In den westlichen Ländern wurde Shavasana durch Lehrer wie B.K.S. Iyengar, Swami Vivekananda und andere populär, die das Yoga-System systematisierten und für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich machten. Shavasana wurde ein Standard bei der Beendigung von Yoga-Sitzungen zur Integration und Reflexion der Praxis.
    • Kulturelle Adaptation: Während die Wurzeln in der traditionellen indischen Meditation und Entspannungstechniken liegen, hat sich Shavasana in der modernen Yoga-Praxis weiterentwickelt, um auch die Bedürfnisse eines westlichen Publikums zu erfüllen, welches oft nach Stressbewältigung und körperlicher Erholung sucht.

    Shavasana ist also tief verwurzelt in den spirituellen, philosophischen und physischen Traditionen des Yoga, die sich über Jahrtausende hinweg entwickelt haben.

    Durchführung

    1. Vorbereitung: Lege dich auf den Rücken, die Beine leicht gespreizt, die Füße fallen nach außen. Deine Arme ruhen entspannt neben deinem Körper, die Handflächen zeigen nach oben.
    2. Körperhaltung: Schließe die Augen und beginne, bewusst durch die Nase zu atmen. Achte darauf, dass dein ganzer Körper locker und schwer wird, als ob du in den Boden sinken würdest.
    3. Atmung: Folge deinem Atem. Mit jedem Einatmen fühlst du dich leichter, mit jedem Ausatmen gibst du alle Anspannung ab.
    4. Mentale Entspannung: Lasse deine Gedanken kommen und gehen, ohne sie festzuhalten. Konzentriere dich auf das Gefühl der Entspannung, das sich in deinem Körper ausbreitet.
    5. Dauer: Shavasana sollte mindestens 5 bis 10 Minuten praktiziert werden. In einer Yoga-Klasse ist sie oft der Abschluss, um den Körper nach der Anstrengung zu beruhigen.

    Meine Shavasana Hacks

    Ich genieße es, meinen Nacken lang zu halten, indem ich das Kinn leicht zur Brust ziehe. Eine gefaltete Decke am Hinterkopf kann helfen, wenn das am Anfang noch ungewohnt sein sollte.

    Außerdem finde ich es sehr wohltuend, die Arme nicht zu eng am Körper zu halten, sondern „mit mehr Luft in den Achseln“. Wenn ich indes das Bedürfnis nach Geborgenheit habe, lege ich meine Hände auf den unteren Bauch.

    Es kann sehr angenehm sein, die Schulterblätter für eine bessere Schulteröffnung ein wenig unter den Körper zu nehmen, wenn wir in Rückenlage sind. Hierzu ziehe ich sie ähnlich wie in der Vorbereitung auf die Schulterbrücke etwas enger im Rücken zusammen.

    Ich achte immer darauf, mich langsam aus Shavasana herauszubewegen, um Schwindel zu vermeiden. Rolle dich beispielsweise erst langsam zur Seite und setze dich dann über die Seite kommend auf.

    Props für Shavasana

    Vielleicht probierst Du bei unangenehmen Gefühlen oder Schmerzen in der Rückenlage eine gerollte Decke oder ein Bolster unter den Knien aus, Das schafft Entlastung im unteren Rücken.

    Auch Blöcke an den Oberschenkelrückseiten in der Nähe des Gesäßes können sehr wohltuend sein, gerade wenn die Beine viel geleistet haben.

    Wenn Du länger in Shavasana liegen möchtest, achte darauf, dass Du nicht auskühlst. Idealerweise ziehst Du Dir schon vorher Socken an, vielleicht auch ein wärmendes Oberteil, und legst Dir eine Decke bereit (oder breitest sie schon über Deinen ausgestreckten Körper aus).

    Last but not least

    Wie in der gesamten Yogapraxis ist es auch in Bezug auf Shavasana wichtig, für sich selbst rauszufinden, was sich gut und angenehm für Dich anfühlt. Lerne Dich und Deine Bedürfnisse kennen und erkennen. Vielleicht willst Du manchmal gar nicht auf dem Rücken, sondern lieber auf dem Bauch oder auf einer Seite liegen. An manchen Tagen kann Dir zudem ein Augenkissen helfen, besser in die Stille zu finden. Und so gibt es unzählige Variationsmöglichkeiten dieser simplen aber nicht immer einfachen Haltung.

    Auch wenn Shavasana vergleichsweise simpel auszuführen ist, kann Dich die Begleitung durch einen Lehrer in eine tiefere Entspannung bringen.

    Welche Vorteile bringt Shavasana

    • Stressabbau: Shavasana hilft, den Körper und Geist zu beruhigen, was zu einer Reduktion von Stress und Angst führt.
    • Körperliche Regeneration: Es fördert die Heilung und Regeneration der Muskeln nach körperlicher Anstrengung.
    • Verbesserte Konzentration: Durch die tiefe Entspannung kann sich der Geist klarer und fokussierter fühlen.
    • Blutdruckregulierung: Die entspannende Wirkung kann helfen, den Blutdruck zu senken.

    Fazit

    Für viele in unserer heutigen schnellen Welt ist es schwierig, am Ende einer Yogaklasse mehrere Minuten in Stille und möglicherweise mit geschlossenen Augen einfach nur auf der Matte zu liegen. Wir sind es nicht mehr gewöhnt, nichts zu tun und einfach zu sein. Auch fällt die Auseinandersetzung mit sich in dieser Stille ohne äußere Reize manchmal schwer.

    Shavanasa bringt uns in Kontakt mit uns selbst. Und lehrt uns Achtsamkeit mit uns selbst, wenn wir genau hinhören.

    Daher ist diese Asana eine Kunst, die Geduld und Übung erfordert. Als Belohnung kann sie uns jedoch eine tiefe Ruhe und Erneuerung bringen, die wir von der Matte in unseren hektischen Alltag übertragen können.