Shavasana (auch „Savasana“), die klassische Abschluss-Haltung einer jeden Yogastunde, gilt als eine der grundlegendsten und zugleich wichtigsten Asanas im Yoga. Diese Haltung ist besonders dafür bekannt, dass sie den Körper und Geist tief entspannt, was für das Wohlbefinden und die Regeneration essenziell ist.
Eine Asana mit vielen Namen
Das Wort „Shavasana“ auf Sanskrit lässt sich in seine Bestandteile, d.h. in seine Wortwurzeln, wie folgt aufteilen:
- Shava (शव) bedeutet „Leiche“.
- Asana (आसन) bedeutet „Sitz“ oder „Haltung“.
Zusammen übersetzt bedeutet Shavasana also wörtlich „Leichenhaltung“.
Neben der im deutschsprachigen Raum sehr viel benutzten Bezeichnung Shavasana ist die Haltung auch als Mritasana (mṛtāsana, von mṛta „Toter“) bekannt. In Frankreich findet sich in Yogaklassen oft direkt die Übersetzung von Shavasana, nämlich „Posture du Cadavre“.
Von LuNa Schmidt, die im deutschsprachigen Raum sehr bekannt ist für ihre Arbeit im Bereich des modernen Yoga und die sich mit Yoga, Faszien und spirituellen Aspekten in ihren Büchern und vielzähligen Artikeln beschäftigt, habe ich die Bezeichnung „Shanti-Asana“ gelernt (angelehnt an die Sanskritwurzel śama – mit der Bedeutung ruhig, still ). Hierdurch wird eine Art poetische oder spirituelle Bezeichnung für eine Haltung oder eine Praxis geschaffen, die auf Entspannung und innere Gelassenheit abzielt.
Shavasana – die Haltung der Toten?
Über die Bedeutung dieses Asana-Namens kann man viel philosophieren. Und auch über die Frage, warum wir im deutschsprachigen Raum lieber den Sanskritbegriff verwenden als die Franzosen. Ich selbst habe nur in weiterführenden Workshops die Lehrer darüber sprechen gehört, was Shavasana bedeutet. In gängigen deutschsprachigen Yogaklassen hingegen bleibt es beim wohlklingenden Sanskritbegriff. Bei französischen Yogalehrern hingegen zuckt nach meiner Erfahrung auch in der offenen Yogaklasse keiner der Schüler, wenn zum Einnehmen der Haltung der Leiche eingeladen wird.
Der Tod ist in Frankreich ein Thema, das sowohl in der Literatur als auch in der Philosophie tief verwurzelt ist, was zu einer offenen Diskussion und Reflexion über Sterben und Tod führt. Es gibt eine starke Tradition der philosophischen Auseinandersetzung mit dem Tod, wie bei Existenzialisten wie Sartre oder Camus. Vielleicht liegt hierin die größere Offenheit auch im Yoga, Shavasana ohne Scheu mit dem Tod in Verbindung zu bringen.
Ein gängiges Verständnis der Leichenhaltung Shavasana ist, dass sie die völlige Entspannung und Bewegungslosigkeit der Asana beschreibt, in der der Praktizierende in eine tiefe Ruhe versunken ist, ähnlich dem Zustand eines Leichnams.
In einer tiefergehenden Interpretation geht es jedoch auch um die Auseinandersetzung mit der Frage, was von einem bleibt, wenn man Äußerlichkeiten, Identifikationen und schlicht den eigenen Körper loslässt (wie dies auch im Tod geschieht). Man verbindet sich mit seiner tiefsten Essenz, seinem Atman. Atman bezeichnet die wahre, ewige, unveränderliche Essenz des Individuums beschrieben, die wir auch als Seele oder das Selbst bezeichnen. Es ist das, was über den physischen Körper, den Geist und die Emotionen hinausgeht. Manche Yogis sagen auch, dass man in Shavasana den Umgang mit der eigenen Sterblichkeit üben kann. Denn erst, wenn man die Angst vor dem eigenen Tod überwunden hat, ist man wirklich frei.

Ursprünge von Shavasana
Hinduistische Tradition und Yoga-Sutras:
- Vedische Wurzeln: Shavasana hat seine Wurzeln tief in der vedischen Tradition Indiens. Es wird angenommen, dass die Praxis der Entspannung und Meditation schon seit Jahrtausenden in indischen spirituellen Praktiken existiert.
- Patanjali’s Yoga-Sutras: Shavasana wird implizit in den Yoga-Sutras von Patanjali erwähnt, die etwa im 2. Jahrhundert v. Chr. zusammengestellt wurden. Obwohl nicht explizit als „Shavasana“ benannt, sind die Konzepte der Entspannung und Meditation (wie in Pratyahara, Dharana und Dhyana) integraler Bestandteil der Yoga-Philosophie.
Tantrische und Hatha-Yoga Einflüsse:
- Tantrismus: In tantrischen Praktiken wird die Entspannung und die Verbindung mit dem eigenen Körper oft als Vorbereitung für höhere meditative Zustände verwendet. Shavasana könnte hier als Methode zur Energieregulierung und Bewusstseinserweiterung betrachtet worden sein.
- Hatha Yoga: Mit der Entwicklung des Hatha Yoga, insbesondere durch Werke wie das „Hatha Yoga Pradipika“ (15. Jahrhundert n. Chr.), wurde die Bedeutung von Entspannung und der Vorbereitung auf Meditation verstärkt. Hier wird Shavasana als eine Methode zur Regeneration und Vorbereitung auf andere Asanas und Pranayama-Übungen beschrieben.
Moderner Yoga:
- Integration in moderne Yoga-Stile: In den westlichen Ländern wurde Shavasana durch Lehrer wie B.K.S. Iyengar, Swami Vivekananda und andere populär, die das Yoga-System systematisierten und für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich machten. Shavasana wurde ein Standard bei der Beendigung von Yoga-Sitzungen zur Integration und Reflexion der Praxis.
- Kulturelle Adaptation: Während die Wurzeln in der traditionellen indischen Meditation und Entspannungstechniken liegen, hat sich Shavasana in der modernen Yoga-Praxis weiterentwickelt, um auch die Bedürfnisse eines westlichen Publikums zu erfüllen, welches oft nach Stressbewältigung und körperlicher Erholung sucht.
Shavasana ist also tief verwurzelt in den spirituellen, philosophischen und physischen Traditionen des Yoga, die sich über Jahrtausende hinweg entwickelt haben.
Durchführung

- Vorbereitung: Lege dich auf den Rücken, die Beine leicht gespreizt, die Füße fallen nach außen. Deine Arme ruhen entspannt neben deinem Körper, die Handflächen zeigen nach oben.
- Körperhaltung: Schließe die Augen und beginne, bewusst durch die Nase zu atmen. Achte darauf, dass dein ganzer Körper locker und schwer wird, als ob du in den Boden sinken würdest.
- Atmung: Folge deinem Atem. Mit jedem Einatmen fühlst du dich leichter, mit jedem Ausatmen gibst du alle Anspannung ab.
- Mentale Entspannung: Lasse deine Gedanken kommen und gehen, ohne sie festzuhalten. Konzentriere dich auf das Gefühl der Entspannung, das sich in deinem Körper ausbreitet.
- Dauer: Shavasana sollte mindestens 5 bis 10 Minuten praktiziert werden. In einer Yoga-Klasse ist sie oft der Abschluss, um den Körper nach der Anstrengung zu beruhigen.
Meine Shavasana Hacks
Ich genieße es, meinen Nacken lang zu halten, indem ich das Kinn leicht zur Brust ziehe. Eine gefaltete Decke am Hinterkopf kann helfen, wenn das am Anfang noch ungewohnt sein sollte.
Außerdem finde ich es sehr wohltuend, die Arme nicht zu eng am Körper zu halten, sondern „mit mehr Luft in den Achseln“. Wenn ich indes das Bedürfnis nach Geborgenheit habe, lege ich meine Hände auf den unteren Bauch.
Es kann sehr angenehm sein, die Schulterblätter für eine bessere Schulteröffnung ein wenig unter den Körper zu nehmen, wenn wir in Rückenlage sind. Hierzu ziehe ich sie ähnlich wie in der Vorbereitung auf die Schulterbrücke etwas enger im Rücken zusammen.
Ich achte immer darauf, mich langsam aus Shavasana herauszubewegen, um Schwindel zu vermeiden. Rolle dich beispielsweise erst langsam zur Seite und setze dich dann über die Seite kommend auf.
Props für Shavasana
Vielleicht probierst Du bei unangenehmen Gefühlen oder Schmerzen in der Rückenlage eine gerollte Decke oder ein Bolster unter den Knien aus, Das schafft Entlastung im unteren Rücken.
Auch Blöcke an den Oberschenkelrückseiten in der Nähe des Gesäßes können sehr wohltuend sein, gerade wenn die Beine viel geleistet haben.
Wenn Du länger in Shavasana liegen möchtest, achte darauf, dass Du nicht auskühlst. Idealerweise ziehst Du Dir schon vorher Socken an, vielleicht auch ein wärmendes Oberteil, und legst Dir eine Decke bereit (oder breitest sie schon über Deinen ausgestreckten Körper aus).
Last but not least
Wie in der gesamten Yogapraxis ist es auch in Bezug auf Shavasana wichtig, für sich selbst rauszufinden, was sich gut und angenehm für Dich anfühlt. Lerne Dich und Deine Bedürfnisse kennen und erkennen. Vielleicht willst Du manchmal gar nicht auf dem Rücken, sondern lieber auf dem Bauch oder auf einer Seite liegen. An manchen Tagen kann Dir zudem ein Augenkissen helfen, besser in die Stille zu finden. Und so gibt es unzählige Variationsmöglichkeiten dieser simplen aber nicht immer einfachen Haltung.
Auch wenn Shavasana vergleichsweise simpel auszuführen ist, kann Dich die Begleitung durch einen Lehrer in eine tiefere Entspannung bringen.
Welche Vorteile bringt Shavasana
- Stressabbau: Shavasana hilft, den Körper und Geist zu beruhigen, was zu einer Reduktion von Stress und Angst führt.
- Körperliche Regeneration: Es fördert die Heilung und Regeneration der Muskeln nach körperlicher Anstrengung.
- Verbesserte Konzentration: Durch die tiefe Entspannung kann sich der Geist klarer und fokussierter fühlen.
- Blutdruckregulierung: Die entspannende Wirkung kann helfen, den Blutdruck zu senken.
Fazit
Für viele in unserer heutigen schnellen Welt ist es schwierig, am Ende einer Yogaklasse mehrere Minuten in Stille und möglicherweise mit geschlossenen Augen einfach nur auf der Matte zu liegen. Wir sind es nicht mehr gewöhnt, nichts zu tun und einfach zu sein. Auch fällt die Auseinandersetzung mit sich in dieser Stille ohne äußere Reize manchmal schwer.
Shavanasa bringt uns in Kontakt mit uns selbst. Und lehrt uns Achtsamkeit mit uns selbst, wenn wir genau hinhören.
Daher ist diese Asana eine Kunst, die Geduld und Übung erfordert. Als Belohnung kann sie uns jedoch eine tiefe Ruhe und Erneuerung bringen, die wir von der Matte in unseren hektischen Alltag übertragen können.

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