Kategorie: Leben

Hier findest Du Beiträge, die zwar Berührungspunkte mit Yoga und Minimalismus haben können, aber auch unabhängig davon für Dich interessant sein könnten.

  • OM – ein Klang im Einklang mit dem Universum

    OM – ein Klang im Einklang mit dem Universum

    OM oder auch AUM ist vermutlich die bekannteste Silbe der Welt, die in vielen spirituellen Traditionen, besonders im Hinduismus, Buddhismus und Jainismus, eine zentrale Rolle spielt. Sie wird als universeller Klang betrachtet und ist in vielen Kulturen bekannt. Aber was bedeutet „OM“ eigentlich? Und woher stammt dieser selbst meinen Kindern bekannte Klang, der mit Ruhe, Meditation und Spiritualität in Verbindung gebracht wird?

    Ursprünge des OM-Klangs

    Erstmalig erwähnt wird OM in den alten vedischen Schriften Indiens hat, die vor über 3.000 Jahren entstanden sind. Es gilt als der „Ursprungsklang“ des Universums – quasi der Klang, aus dem alles andere hervorgegangen ist.

    In den Upanishaden, einer Sammlung philosophischer Texte (die vermutlich im ersten Jahrtausend v. Chr. entstanden sind), wird OM oft als der Klang beschrieben, der die Essenz des gesamten Daseins repräsentiert.

    Die Unpanishaden beschäftigen sich im Kern mit der Frage, was den Einzelnen mit allem, das ist, verbindet. Die Antwort lautet Brahman (die Einheit aller Dinge) bzw. Atman (die Einheit, die jeder einzelne von uns in sich trägt), unsere Essenz, die nicht geboren wird und nicht mit unserem Tod verschwindet. Die einzelnen Upanishaden stellen unterschiedliche Perspektiven auf dieses zentrale Thema dar und sind beispielsweise als Lehrer-Schüler-Dialog gestaltet.

    Die sogenannte Mandukya Upanishad beschäftigt sich mit OM und sagt im Kern:

    OM ist nicht nur ein Klang, sondern ein Symbol für die gesamte Realität. Wenn man OM versteht und meditiert, kann man die verschiedenen Schichten des Bewusstseins durchdringen und zum Turiya-Zustand gelangen – der Erkenntnis, dass alles eins ist. Sie betont, dass das Selbst (Atman) nicht von Brahman getrennt ist; die Trennung ist eine Illusion.

    Ein berühmter Vers (Vers 1) lautet:

    Om, dieses Wort ist das ganze Universum. Was war, was ist und was sein wird – alles ist Om. Und was jenseits der drei Zeiten liegt, ist ebenfalls Om.“

    OM oder AUM – ein spiritueller Vierklang

    A-U-M und die Bedeutung davon

    In der Mandukya Upanishad wird OM zunächst in seine drei klanglichen Bestandteile (A-U-M) zerlegt.

    1. A – Vaishvanara (Wachzustand)
      Das „A“ steht für den Wachzustand, in dem wir die äußere Welt mit unseren Sinnen wahrnehmen. Es ist der Zustand, in dem wir normalerweise den ganzen Tag verbringen – denken, handeln, die physische Welt erleben. Das Bewusstsein ist hier nach außen gerichtet.
    2. U – Taijasa (Traumzustand)
      Das „U“ repräsentiert den Traumzustand, wo das Bewusstsein nach innen gerichtet ist. Wir erleben eine Traumwelt, die nicht physisch ist, sondern aus Erinnerungen, Phantasien und dem Unterbewusstsein besteht. Es ist eine Art Zwischenzustand zwischen der äußeren und der tiefsten Ebene.
    3. M – Prajna (Tiefschlafzustand)
      Das „M“ steht für den Tiefschlaf, wo es keine Träume und keine Wahrnehmung der Außenwelt gibt. Es ist ein Zustand tiefer Ruhe und Einheit, aber das Bewusstsein ist „unbewusst“ – es gibt keine dualistischen Erfahrungen wie Subjekt und Objekt. Die Upanishad beschreibt diesen Zustand als eine Art „Samen“ für die anderen Zustände.

    Die beiden Laute „A“ und „U“ gleichen sich beim Sprechen aneinander an und erzeugen den gemeinsamen Laut „O“, was erklärt, warum OM bekannter ist als der zerlegte Dreiklang A-U-M.

    Das Vierte symbolisiert die Einheit

    Aber darin erschöpft sich das OM nicht. Traditionell und auch in heutigen Yogaklassen wird nach dem Chanten von OM in Stille gesessen. Die Stille dient dem Nachspüren der Schwingungen der erzeugten Energie, die aus der Stille kam und wieder in die Stille entschwindet. Und entsprechend ist das OM erst durch den vierten Klang – der Stille – vollständig:

    1. Die Stille nach OM – Turiya (der vierte Zustand)
      Das ist der Zustand jenseits von A, U und M – die Stille, die nach dem Chanten von OM folgt. Turiya ist der transzendente Zustand, das reine Bewusstsein, das allem zugrunde liegt. Es ist weder Wachen, Träumen noch Tiefschlaf, sondern das wahre Selbst (Atman), das mit Brahman eins ist. Turiya ist das Ziel spiritueller Erkenntnis: die Erfahrung der Nicht-Dualität.

    Exkurs: Die Nicht-Dualität

    Die Nicht-Dualität oder auch Non-Duailtät ist ein philosophisches Konzept, das ganze Yogaströmungen prägte und prägt. Aber auch im Zen-Buddhismus wird die Illusion der Trennung zwischen Subjekt und Objekt hinterfragt, z. B. durch Koans. Christliche Mystiker wie Eckhart Tolle oder islamische Sufis wie Rumi sprechen von einer Einheit mit dem Göttlichen, die duale Grenzen überwindet. In der modernen Philosophie kommen Denker wie Spinoza oder sogar Quantenphysiker, die über die Verbundenheit aller Dinge nachdenken, dem Konzept der Nicht-Dualität manchmal sehr nahe.

    Nicht-Dualität im Unterschied zur Dualität

    Unsere wahrnehmbare Realität kennt vor allem die Dualität wie „Ich“ und „Du“, „Subjekt“ und „Objekt“, „Selbst“ und „Welt“.

    Gemäß der Nicht-Dualität (auf Sanskrit „Advaita“, wörtlich „nicht- zwei“) gibt es letztlich keine grundlegende Trennung zwischen Dingen. Stattdessen gibt es nur eine einzige, ungeteilte Realität, also „Du“ und „ich“ wir sind eins, das „Selbst“ ist Teil von „Allem“ und die Trennung zwischen dem Individuum und der Welt existiert nicht. Im Kontext der Mandukya Upanishad ist diese einzige Realität das reine Bewusstsein, das Brahman oder Atman genannt wird. Alles, was wir als getrennt wahrnehmen (Dualität), ist eine Illusion (Maya).

    Wie nähere ich mich der Nicht-Dualität

    Um das für uns zunächst ungewohnte Konzept der Nicht-Dualität zu verstehen, hilft uns das Bild der Wellen im Ozean: Die Wellen sind voneinander unterscheidbar und voneinander abgegrenzt, aber zugleich sind sie alle Wasser und als Teil des Ozeans miteinander verbunden. Nicht-Dualität sagt: Alles, was existiert, ist im Kern dasselbe – das eine Bewusstsein, das sich in verschiedenen Formen zeigt.

    Nicht-Dualität ist nicht nur eine Theorie oder ein Konzept, sondern etwas, das man erfahren kann – vor allem durch Meditation, Selbstreflexion („Wer bin ich?“) und das Studium von Schriften hierzu. In der Praxis geht’s darum, die Identifikation mit dem Ego, dem Körper und dem Geist loszulassen.

    Wenn du zum Beispiel OM chantest (singst) und in die Stille danach eintauchst, wie es die Mandukya Upanishad vorschlägt, kannst du einen Moment erleben, wo die Grenzen zwischen „Ich“ und „Welt“ verschwimmen. Das ist ein Vorgeschmack auf Turiya.

    Weitere Symbolik und Bedeutung von OM

    Religiöse Bedeutung im Hinduismus

    Das OM bzw. AUM wird in der indischen Kultur regelmäßig auch mit den drei höchsten Göttern (Trimurti) in Verbindung gebracht, nämlich:

    Brahma, dem Gott der Schöpfung (symbolisiert durch das A),

    Vishnu, dem Gott der Bewahrung (symbolisiert durch das U), und

    Shiva, dem Gott der Zerstörung (symbolisiert durch das M).

    Diese Symbolik entspricht dem ersten Vers der Mandukya Upanishade, wonach OM alles ist, was war, ist und sein wird.

    Das Schriftzeichen

    Das OM-Symbol (ॐ in Devanagari-Schrift) ist genauso bekannt wie der Klang. Es wird oft in Tempeln, auf Schmuck oder in Kunstwerken dargestellt.

    Die Form des Symbols hat auch eine tiefere Bedeutung:

    • Die drei Kurven stehen für die drei Zustände des Bewusstseins (Wachen, Träumen, Tiefschlaf).
    • Der Punkt oben symbolisiert das Absolute, das jenseits dieser Zustände liegt.
    • Die Sichel darunter repräsentiert die Illusion (Maya), die uns vom Absoluten trennt.

    Wissenschaftlicher Aspekt

    Interessant ist, dass es auch moderne Studien1 gibt, die sich mit den Effekten des OM-Chantens beschäftigen.

    Das Singen soll das parasympathische Nervensystem aktivieren, was Stress reduziert, den Blutdruck senkt und die Konzentration fördert. Die Vibrationen beim Singen von OM sollen außerdem das Gehirn stimulieren – es gibt sogar Studien mit MRT-Scans, die zeigen, dass bestimmte Hirnareale aktiviert werden.

    Kulturelle Präsenz heute

    OM hat sich über die Jahrhunderte auch in die Popkultur geschlichen. Du findest es auf T-Shirts, in Songs, Filmen oder als Tattoo. Es ist für viele ein Symbol für Spiritualität, Frieden und Achtsamkeit, auch wenn sie nicht direkt mit den Traditionen verbunden sind.

    Was können wir hieraus für uns mitnehmen

    Man muss nicht an Gott glauben oder spirituell sein, um sich mit dem Konzept der Nicht-Dualität zu beschäftigen.

    Nicht-Dualität kann schwer zu verstehen sein, weil unser Geist auf Dualität ausgelegt ist – wir denken in Kategorien wie „Ich vs. Welt“. Die Auseinandersetzung mit dem Konzept von Nicht-Dualität kann dein Weltbild umkrempeln. Sie lädt dich ein, die Dinge nicht als getrennt zu sehen, sondern als Ausdruck eines Ganzen.

    Auf diese Weise kann die Nicht-Dualität Ruhe ins Leben bringen, weil Konflikte , negative Gefühle gegenüber anderen und Ängste oft aus der Idee der Trennung kommen. In der Praxis kann zudem das eigene Mitgefühl gefördert werden – wenn alles eins ist, wie könntest du jemandem schaden, ohne dir selbst zu schaden? Schließlich kann aus der Auseinandersetzung mit dem EINS-Sein mit allem auch der Wunsch nach einem nachhaltigeren Umgang mit der Umwelt entstehen.

    OM kann Dich dabei unterstützen, Dich spielerisch mit diesem Konzept auseinanderzusetzen. OM kann aber auch einfach dazu dienen, uns zu Beginn einer Yogapraxis oder in anderen Situationen zu zentrieren, zu erden. So wirkt das Chanten von OM oder die Konzentration darauf, wie jedes andere Mantra, auf unseren Geist beruhigend, indem es ihn fokussiert und beschäftigt hält. OM hat dabei den Charme der Einfachheit, es ist positiv besetzt und auch für Atheisten oder Angehörige anderer Religionen zugänglich.

    Falls Du es mal ausprobieren willst: Man spricht es eher langgezogen aus, wie „Aaaauuuummmm“. Der Ton beginnt tief im Bauch, geht dann in den Brustbereich über und endet im Kopf. Am besten in einer ruhigen Umgebung, mit geschlossenen Augen – es kann auch schon beim ersten Ausprobieren einen spürbaren Effekt haben.

    Und einfach zum Genießen: Sea of OMS by Morley.

    1. Studie zur Stressreduktion und Gehirnaktivität (2011)
      Amin, N., Foa, E. B., & Coles, M. E. (2011). Neural basis of the effects of chanting „Om“ on stress reduction: An fMRI study. Journal of Neuroscience Research, 89(5), 712-719.

      Effekte auf das parasympathische Nervensystem (2018)
      Gururaja, D., Harano, K., & Toyotomi, I. (2018). Physiological effects of „Om“ chanting on autonomic nervous system activity: A pilot study. International Journal of Yoga, 11(2), 108-114.

      Einfluss auf Blutdruck und Stickstoffmonoxid (2022)
      Sharma, R., Gupta, N., & Bijlani, R. L. (2022). Effects of „Om“ chanting on blood pressure and nitric oxide levels in hypertensive patients. Journal of Alternative and Complementary Medicine, 28(6), 543-550.

      Psychologische Effekte und Achtsamkeit (2023)
      Kumar, S., Prakash, R., & Sharma, P. (2023). Impact of „Om“ chanting on stress and mindfulness: A randomized controlled trial. Mindfulness, 14(3), 321-330.

      Kognitive Vorteile bei Schulkindern (2022)
      Rao, M., Srinivasan, T. M., & Nagendra, H. R. (2022). Enhancing working memory and attention in adolescents through Mind Sound Resonance Technique (MSRT) with „Om“ chanting. Journal of Cognitive Enhancement, 6(4), 412-420.
      ↩︎
  • Unser Ego ist nicht unser Ich

    Unser Ego ist nicht unser Ich

    Der Begriff „Ego“ hat in unserem alltäglichen Sprachgebrauch eine negative Konnotation und wird oft mit Selbstbezogenheit, Eitelkeit oder einem überhöhten Selbstbild gleichgesetzt. Es beschreibt, wie jemand auf andere wirkt – egoistisch, arrogant, selbstverliebt. Im Gegensatz dazu stehen die komplexen psychologischen oder spirituellen Konzepte, die in Fachdisziplinen wie Psychologie, Psychoanalyse oder Yogaphilosophie damit verbunden sind. Was das Ego mit dem Ich zu tun hat und inwieweit das Ego dem Ich hilft oder ihm im Weg steht, möchte ich näher unter die Lupe nehmen.

    Ego (lat.) = Ich (Erste Person, singular)

    Es könnte so einfach sein… Ego heißt Ich, also muss es doch das gleiche sein. Sowohl die Psychoanalyse als auch die Yogaphilosophie sehen das jedoch anders…

    In der klassischen Psychoanalyse und Psychologie sind insbesondere die Definitionen von Freud und Jung berühmt geworden, wobei auch die moderne Psychoanalyse und Psychologie auf diesen Modellen aufbauen. Durch den Einsatz modernster Untersuchungsmethodiken wird inzwischen auch wissenschaftlich überprüft, wie das Ego (oder das Selbst) mit neuronalen Strukturen wie dem präfrontalen Cortex (Selbstregulation, Entscheidungsfindung) oder dem Default Mode Network (Selbstbezug, Tagträumen) zusammenhängt.

    Interessant ist, dass die teilweise Jahrtausend(e) alten Schriften der Yogaphilosophie mit ihren Definitionen durchaus Ähnlichkeiten mit modernen Modellen und Definitionen des Egos aufweisen. Der Umgang mit dem Ego ist jedoch völlig unterschiedlich.

    Das Ego in der modernen Psychologie und Psychoanalyse

    Das Ego in der Strukturtheorie der Psyche

    Siegfried Freud beschreibt das Ego als eine der drei Instanzen der Psyche in seinem Modell aus Es, Ich (=Ego) und Über-Ich. Das Ego entwickelt sich aus dem Es und ist die Instanz, die mit der Realität interagiert. Somit bildet das Ego die Schnittstelle und den Vermittler zwischen den triebhaften Wünschen des Es (das Unbewusste, das nach sofortiger Befriedigung strebt) und den moralischen Anforderungen des Über-Ichs (das Gewissen, das gesellschaftliche Normen und Werte repräsentiert). Es arbeitet nach dem Realitätsprinzip, d.h., es versucht, die Impulse des Es in einer sozial akzeptablen Weise zu befriedigen.

    Freud verglich das Ego mit einem Reiter, der das wilde Pferd (das Es) zügeln und durch die äußere Realität lenken muss, während das Über-Ich als strenger Richter auftritt.

    Das Ego im analytischen Psychologie-Modell

    Carl Gustav Jung, der sich von Freud abspaltete, hat eine andere Sichtweise auf das Ego. Bei Jung ist das Ego weniger ein Vermittler zwischen Instanzen, sondern mehr ein zentraler Teil des Bewusstseins:

    Das Ego ist die Summe dessen, womit sich eine Person identifiziert (Gedanken, Gefühle, Wahrnehmungen). Es ist der bewusste Teil der Persönlichkeit, der die Kontinuität und Identität eines Individuums ausmacht. Das Ego dient als Torwächter zum Unbewussten und ermöglicht die Interaktion mit der Außenwelt. Es ist jedoch nicht die Gesamtheit der Psyche, sondern nur ein kleiner Teil. Jung betonte, dass das Ego in Beziehung zum größeren „Selbst“ (dem Zentrum der gesamten Psyche, einschließlich des Unbewussten) steht. Das Ego kann somit ein Hindernis für die Individuation (den Prozess der Ganzwerdung) sein, wenn es zu starr oder dominant wird.

    Jung verglich das Ego manchmal mit der Spitze eines Eisbergs – es ist sichtbar, aber nur ein kleiner Teil der gesamten Psyche, die größtenteils im Unbewussten (wie dem kollektiven Unbewussten) verborgen liegt.

    Gemeinsamkeiten

    Beide sehen das Ego als bewusstseinsnah und als Schnittstelle zur Realität, aber Jung legt mehr Wert auf die spirituelle und transzendente Dimension der Psyche, während Freud sich auf die triebhafte und soziale Dynamik fokussiert.

    Das Ego in der Yogaphilosophie

    Auch in der Yogaphilosophie wird das Ego in Beziehung zu dem Selbst gesehen, jedoch steht es hierbei nicht für eine eigenständige psychologische Instanz, sondern wird als Illusion oder Fehlidentifikation des Selbst mit dem Körper, dem Geist und der materiellen Welt definiert. Der zentrale Begriff für das Ego ist Ahamkara (wörtlich: „Ich-Macher“), während das wahre Selbst oft mit dem Atman gleichgesetzt wird.

    Die Wagenlenker-Analogie (ca. 500 v. Chr.)

    Die sogenannte Wagenlenker-Analogie ist eine berühmte Metapher aus den Upanishaden, insbesondere aus der Katha-Upanishad, die das Konzept des „Selbst“ sowie seine Beziehung zu Körper, Geist und Sinnen erklärt. 

    Ein zentraler Vers der Katha-Upanishad (1.3.3-4) lautet sinngemäß:

    „Erkenne den Atman als den Herrn des Wagens, den Körper als den Wagen, den Intellekt als den Wagenlenker, den Geist als die Zügel. Die Sinne sind die Pferde, die Objekte der Sinne sind die Wege. Wer ohne Unterscheidungskraft ist, dessen Sinne sind ungebändigt, wie ungebärdige Pferde eines Wagenlenkers. Doch wer Unterscheidungskraft hat und einen kontrollierten Geist, dessen Sinne sind gezähmt, und er erreicht das höchste Ziel.“

    Das „Ich“ wird in der Katha-Upanishad auf verschiedenen Ebenen verstanden. Es gibt hier eine Unterscheidung zwischen dem wahren „Ich“ (Atman repräsentiert durch den Herrn bzw. Passagier des Wagens) und dem falschen „Ich“, das mit dem Ego (Ahamkara) assoziiert wird.

    Der Atman ist der eigentliche „Herr“ des Wagens, aber er ist passiv – er greift nicht direkt ein, sondern beobachtet. Er ist das Bewusstsein, das alles durchdringt und die Reise überdauert. Sein Ziel ist es, zur Erkenntnis seiner eigenen Natur zu gelangen, also zu erkennen, dass er eins ist mit Brahman, der höchsten Wirklichkeit.

    Obwohl die Wagenlenker-Analogie das Ahamkara (das Ego im Sinne der Yogaphilosophie) nicht explizit erwähnt, wird es oft implizit verstanden als die Fehlidentifikation des Atman mit den Aktivitäten des Wagens. Das Ahamkara ist die Illusion, die entsteht, wenn der Intellekt (Buddhi) oder der Geist (Manas) sich mit den Sinnen und dem Körper identifiziert und glaubt: „Ich bin der Handelnde“, „Das gehört mir“. In der Analogie könnte man sagen, dass das Ahamkara entsteht, wenn der Wagenlenker (Buddhi) vergisst, dass er nur ein Diener des Passagiers (Atman) ist, und sich selbst für den Herrn hält. In der Folge irrt der Wagen ziellos umher, er wird von den Begierden der Sinne (den Pferden) oder dem durch Erfahrungen geprägten Geist (den Zügeln) gelenkt.

    Wie sollen wir mit dem Ego umgehen?

    In unserer heutigen Zeit kann man Ahamkara entsprechend darin sehen, dass wir uns oft mit Äußerlichkeiten, unseren Besitztümern, unserem Status identifizieren. Infolgedessen vergessen wir, dass wir alle Teil eines großen Ganzen (von allem, was ist, beispielsweise der Natur) sind. Entsprechend fühlen wir uns in unserer Selbstbezogenheit (und im ständigen Vergleich mit anderen, die mehr haben) isoliert und unglücklich. Wir halten krampfhaft an unseren Besitztümern, unserem Status oder unseren Äußerlichkeiten fest, was unseren leidvollen Umgang mit dem Altern und dem Verlust von Status im Alter und dem Festhalten an Dingen erklärt.

    In der Yogaphilosophie ist das Ego kein „Feind“, der zerstört werden muss, sondern ein Hindernis, das überwunden oder transzendiert werden soll. Die Yoga-Praxis soll uns entsprechend helfen, unsere Identifikation mit dem Ego zu lösen und stattdessen Einheit mit unserer wahren Essenz (als Teil von allem) zu erfahren, indem wir Sinne, Geist und Intellekt zum Stillstand bringen:

    „Erst wenn gelangt zum Stillstande
    Mit den fünf Sinnen Manas ist,
    Und unbeweglich steht Buddhi,
    Das nennen sie den höchsten Gang.

    Das ist es, was man nennt Yoga,
    Der Sinne starke Fesselung,
    Doch ist man nicht dabei lässig:
    Yoga ist Schöpfung und Vergang.“

    Peter Michel (Hrsg.): Upanishaden. 2006, S. 364–365


    Zusammenfassung

    Die frühe Yogaphilosophie der Unpanishaden sieht das Ego (Ahamkara) als eine Illusion, die uns glauben lässt, wir seien getrennte Individuen, und die uns somit von der Einheit mit dem wahren Selbst (Atman) oder der höchsten Wirklichkeit (Brahman) trennt. Im Gegensatz zu Freud oder Jung, die das Ego als funktionale psychologische Struktur betrachten, zielt Yoga darauf ab, diese Identifikation zu durchschauen und zu überwinden, um Befreiung zu erlangen. Das Ego ist bei Freud und Jung funktional notwendig und wird nicht grundsätzlich infrage gestellt, wohingegen es im Yoga als Ursache von Leiden gilt und aufgelöst werden muss, um Befreiung (Moksha) zu erlangen. Der Weg dazu führt über Selbsterforschung, Meditation, ethisches Verhalten und Hingabe.

    Die Wagenlenker-Analogie hat Parallelen zu modernen psychologischen Konzepten, aber auch klare Unterschiede:

    • Bei Freud könnte man den Wagenlenker vielleicht mit dem Ego vergleichen, das zwischen Es (Sinne/Pferde) und Über-Ich (moralische Kontrolle) vermittelt. Doch der Atman hat bei Freud kein direktes Äquivalent, da Freud keinen transzendenten Kern des Selbst annahm.
    • Jung kommt der Upanishad-Sicht näher, da er das „Selbst“ als Zentrum der Psyche sieht, das über das Ego hinausgeht. Der Atman könnte mit Jungs Selbst verglichen werden, während das Ahamkara dem Ego entspricht.

    Übertragung in unser Leben

    Es erscheint stimmig, dass, wenn wir unseren Wert an Äußerlichkeiten, wie unserem Aussehen, festmachen, wir durch den Vergleich mit anderen, aber auch schlicht durch unsere eigene Vergänglichkeit, nur unglücklich werden können. Auch machen wir unsere Zufriedenheit abhängig von äußeren Umständen, die wir nicht immer beeinflussen können, wenn wir uns mit unserem Beruf, unserem Status oder dergleichen in hohem Maße identifizieren.

    Ich selbst kann sehr gut nachvollziehen, dass man sich durch Identifikation mit bestimmten Dingen oder Titeln zugleich auch zugehörig fühlen möchte. Daher ertappe ich mich selbst ständig dabei, mich mit Dingen, Titeln oder Interessen zu identifizieren. Auch ist das Konzept, dass wir nicht unser Körper sind, erst einmal ungewöhnlich, denn der eigene Körper ist unser ständiges Zuhause und Begleiter. Die Themen Selbstoptimierung des Körpers und Geistes beherrschen viele Bereiche in unserer heutigen Gesellschaft und sind uns in Fleisch und Blut übergegangen. Jeder möchte das beste aus sich machen. Und zu erkennen, dass mit dem Alter auch unliebsame Veränderungen einhergehen, fällt mir nicht leicht.

    Zugleich ist der Gedanke, dass wir mehr als nur die Summe der Dinge sind, mit denen wir uns identifizieren, sehr tröstlich.

    „Jeder Mensch ist eine Insel“

    Hugh Grant in seiner Rolle als Will in About a Boy (2002)

    Wie traurig wäre es, wenn wir in der Tat allesamt von einander getrennte Individuen wären. Dieser Ausspruch ist ein Ausdruck von Isolation und Selbstbezogenheit und steht für die Illusion der völligen Unabhängigkeit, die in unserer modernen Gesellschaft oft attraktiv erscheint, aber letztlich zu Einsamkeit führt.

    Stattdessen erkennt bereits die Figur Will im Film, dass diese Sichtweise nicht haltbar ist – echte Erfüllung kommt durch Beziehungen, Verantwortung und die Bereitschaft, sich auf andere einzulassen. Die angepasste Metapher der Inselkette am Ende des Films ist ein Kompromiss: Sie erkennt an, dass jeder Mensch seine Individualität hat (eine „Insel“), aber dass wir dennoch miteinander verbunden sind und diese Verbindungen wichtig sind.

    Die modernere Yogaphilosphie geht noch einen Schritt weiter. Wir sind nicht nur miteinander verbundene Inseln im Ozean, wir sind Wellen im Ozean, kurzzeitig abgegrenzt sichtbar, aber immer Teil des Ganzen. Dementsprechend müssen wir unser Ego nicht unbedingt überwinden, wie in den alten Schriften ausgeführt, sondern erweitern. Um zu erkennen, dass die vom Ego wahrgenommene Getrenntheit nicht die endgültige Wahrheit ist. und um zu begreifen, dass wir Teil der Welt und die Welt Teil von uns ist.

    Vielleicht fällt es uns mit dieser Erkenntnis auch leichter, wieder mehr im Einklang mit der Natur und unseren Mitmenschen zu leben?

  • Loslassen und Unterstützen – im Yoga, im Leben

    Loslassen und Unterstützen – im Yoga, im Leben

    Wir müssen nicht nur im Leben, sondern auch im Yoga lernen loszulassen. Viele unserer Erfahrungen lassen sich von der Matte auf unser Leben übertragen. Im Falle von traumatischen Erlebnissen und Verlusten ist die Unterstützung durch geschulte Begleitung wichtig. Zudem kann man die leidvollen Erfahrungen möglicherweise nicht loslassen, aber vielleicht transformieren.

    „Leben ist Leiden“Der Buddha

    Zunächst ist das Zitat eine bekannte, sehr verkürzte Darstellung der Lehre des Buddha, Siddhartha Gautama.

    Nach der ersten der vier edlen Wahrheiten des Buddha ist das Leben in seiner essentiellen Natur Dukkha . Es ist voller Schmerz, Krankheit, Altern und Tod (Dukha steht für Leiden, aber auch für das Gefühl von Unvollkommenheit).  Und selbst in unseren Momenten der Freude ist Dukkha präsent, da kein Glück ewig währt und der Verlust des Glücks wiederum Leid verursacht.

    Das klingt zunächst nicht sehr optimistisch, bringt aber letztlich nur auf den Punkt, was die meisten von uns beobachten:

    Leid ist ein unvermeidbarer Teil des Lebens.

    In der zweiten edlen Wahrheit erfahren wir, woher das Leid rührt, nämlich aus unseren Begierden und Anhaftungen. Unsere Unfähigkeit, loszulassen und die Vergänglichkeit aller Dinge anzunehmen, führt zu Leiden.

    Indem wir also lernen, unser Leben und uns selbst so anzunehmen wie es ist bzw. wir sind, und nicht mehr an Vorstellungen und Erwartungen festzuhalten, können wir uns von diesem Leid befreien (dritte edle Wahrheit des Buddha). Einen möglichen Weg zeigt der Buddha in seiner vierten edlen Wahrheit: den edlen achtfachen Pfad.

    Wer sich hier vielleicht in Kenntnis der Yogaphilosphie, beispielsweise an die Yoga-Sutras nach Patanjali erinnert fühlt, liegt nicht falsch. Siddhartha Gautama, der historische Buddha, lebte im 6. oder 5. Jahrhundert v. Chr. und entwickelte den Buddhismus, während Yoga-Philosophie und -Praktiken in Texten wie den Upanishaden und den Yoga-Sutras von Patanjali, die etwa zeitgleich oder etwas später entstanden sind, dokumentiert wurden.

    Loslassen im Yoga

    Viele philosophische und praktische Ansätze des Yoga haben daher das primäre Ziel des Loslassens als Weg aus dem Leid des Lebens. Für uns praktisch umgesetzt kann ein erster Schritt darin bestehen, in unserer Praxis auf der Matte das Loslassen zu üben.

    Loslassen in eine Asana, loslassen in der Meditation, loslassen im Pranayama. Dabei ist es – wie im Leben – ein Prozess, nicht einfach unangenehme Empfindungen zu verdrängen, sondern in dem Moment zu bleiben und dabei „nur“ zu sein. Oft neigen wir dazu, alles zu bewerten und zu durchdenken.

    „Der Muskel zieht“, „ich will nicht mehr, das ist zu anstrengend“, „wie lang geht das noch?“ – Das alles sind Gedanken und Bewertungen, die uns in der unserer Praxis auf der Matte begegnen. Statt zu bewerten, können wir das Ziehen im Muskel, die Anstrengung in einer Asana, das Zwicken im Sitzen, aber auch annehmen, beobachten, darin „sein“.

    Indem wir die Situation lernen zu akzeptieren, lassen wir die Erwartung, dass es anders sein sollte, los. Diese Art des Loslassens verbunden mit Akzeptanz des IST-Zustands, können wir von der Matte in unser Leben mitnehmen.

    Traumatische Erlebnisse und Trauer

    Ich möchte hier betonen, dass traumatische Erlebnisse also überwältigende Erfahrungen, die mit extremen Gefühlen von Ohnmacht und Hilflosigkeit einhergehen, hiervon zunächst auszunehmen sind. Dazu zählen nicht nur offensichtliche Extremsituationen wie Krieg, Folter oder sexueller Missbrauch, sondern auch andere belastende Ereignisse wie schwere Unfälle, Naturkatastrophen oder psychische Gewalt. Ein traumatisches Erlebnis kann eine schockierende, beängstigende oder gefährliche Erfahrung sein, die eine Person emotional stark beeinflusst.

    Im Fall von traumatischen Erlebnissen und Verlusten ist die Begleitung durch geschulte Begleiter, in Form von Therapeuten und ggf. Lehrer, die traumsensibles Yoga anbieten, hilfreich.

    Auch der Verlust eines geliebten Menschen kann ein solches traumatisches Erlebnis darstellen. Jeder der dies schon durchlebt hat, weiß wie schwer es fällt, loszulassen. Unabhängig davon, wer dieser Mensch für einen selbst war, bleibt nach dem Verlust die Liebe für ihn ohne greifbares Ziel. Und daraus entsteht das Gefühl der intensiven Traurigkeit.

    Aber kann und soll man diese ziellos gewordene Liebe einfach loslassen? Und was können wir im Yoga lernen, um mit Verlust umzugehen?

    Sternenkinder – ein besonderer Verlust

    Häufiger als unsere Gesellschaft erahnen lässt ist der Verlust eines Kindes. Insbesondere über die sogenannten Sternenkinder, d.h. Kinder, die vor, während oder kurz nach der Geburt sterben, wird nicht oder wenig gesprochen. Umso schwieriger ist es für Eltern und Familienangehörige die damit einhergehende Trauer zu verarbeiten.

    Als wir unseren Sohn in den letzten Wochen der Schwangerschaft verloren haben, waren wir sowohl unmittelbar mit dem schmerzhaften Tod unsere Kindes, aber auch mit der Einsamkeit in der Trauer konfrontiert. Gerade der Weg nach diesem Verlust war für uns als Familie unglaublich schwer, weil unsere Gesellschaft mit dieser Art von Trauer nicht (mehr) umgehen kann.

    Unterstützung für Betroffene

    Glücklicherweise sind uns viele wunderbare Menschen begegnet, Bekannte im direkten Umfeld aber auch bis dato Unbekannte, die uns unterstützt haben. Indem sie zugehört haben und indem sie uns unsere Erfahrung haben teilen lassen.

    Eine große Unterstützung kam zudem von Organisationen, wie in München den Verwaisten Eltern und der Beratungsstelle für Natürliche Geburt und Elternsein e.V.. Letztere bietet u.a. einen Rückbildungskurs für Mütter, die vor, in oder kurz nach der Geburt ihre Kinder gehen lassen mussten.

    Ohne Menschen, die bereit sind, anderen in schweren Momenten beiseite zu stehen, ist jede Art der Trauer überwältigend.

    Lass doch einfach los?

    In der Trauer bekommt man manchmal von Freunden und Familienmitgliedern den eigentlich gut gemeinten Rat zu hören, man müsse den geliebten Menschen oder die Trauer um ihn loslassen.

    Ich selbst habe diesen Rat nicht gut aufgenommen und möchte ihn auch nicht in dieser Weise weiter geben.

    Was ich aber gelernt habe, ist, dass auch aus der Trauer mit der Zeit etwas schönes wachsen kann, nämlich der Wunsch, andere zu unterstützen.

    Transformation von Leid und Trauer

    Neben dem Loslassen von Anhaftungen kann beispielsweise die Liebe für jemanden (als Ursache der Trauer) transformiert werden: in Unterstützung.

    Unterstützung lässt sich auf wundervolle Weise für jeden in irgendeiner Form umsetzen, wenn man soweit ist, sie zu geben. Sei es in einer vergleichbaren Situation anderen Familien zur Seite zu stehen, sei es finanziell durch Spenden oder auf andere Weise. So kann man beispielsweise Tabuthemen wie Kindsverlust in die Öffentlichkeit tragen, um diese wieder zu enttabuisieren.

    Egal wie man dies umsetzen möchte und wieviel Zeit vergeht, ehe man sich dazu bereit fühlt, können belastende Gefühle und Gedanken in etwas – auch für einen selbst – Positives umgewandelt werden.

    Für mich wurde durch die Transformation ein Loslassen der negativen Gefühle im Zusammenhang mit dem Tod unseres Sohnes möglich. Und ich konnte so an dem Schönen festhalten, nämlich dass es ihn gegeben hat.

    „Loslassen ist nicht das Ende des Weges; es ist der Beginn der wahren Freiheit.“Paramahansa Yogananda

    Geben und Spenden

    Man muss nicht betroffen sein, um zu unterstützen.

    Sich damit auseinander zu setzen, dass Krankheit, Tod und Trauer Teile unseres Lebens sind und damit jeden früher oder später betreffen, ist aus meiner Sicht ein erster Schritt. Denn ich habe manchmal den Eindruck, dass wir Tod und Krankheit in unserer Gesellschaft am liebsten verstecken, vergessen und totschweigen möchten. Natürlich ändert das aber nichts am natürlichen Lauf der Dinge.

    Wenn wir uns hingegen wieder eingestehen, dass diese Teile genauso zu uns und unserem Leben gehören wie Freude, Gesundheit und Leben, dann können wir auch für andere da sein. Zuhören. Nicht wegschauen oder uns wegducken, sondern aushalten und bleiben. Auf diese Weise müssen sich Betroffene in ihrer Trauer nicht wie Aussätzige fühlen.

    Auch können wir Organisationen, die diese Aufgabe professionell übernehmen mit unserer Zeit und/oder unserem Geld unterstützen.

    Die Leere Wiege

    MINIM YOGA unterstützt insbesondere die Leere Wiege, den Rückbildungskurs der Beratungsstelle für Natürliche Geburt und Elternsein e.V. in München.

    Leider sieht die Finanzierung des sozialen Bereichs in ganz Deutschland in den kommenden Jahren nicht rosig aus. Die Zuschüsse steigen nicht in gleichem Maße wie die Kosten, Einsparpotentiale sind in einem Bereich, der immer schon sehr sparsam mit öffentlichen Geldern umgehen musste, kaum vorhanden, Defizite wachsen weiter.

    Für die Beratungsstelle für Natürliche Geburt und Elternsein e.V. bedeuten die Kürzungen konkret, dass allein im Jahr 2025 mindestens weitere 20.000 € für die Beratungs- und Kursangebote fehlen, die nur durch Spendengelder aufgefüllt werden können. Besonders regelmäßige Spenden sind für Organisation wie diese eine große Hilfe (Spendenportal der Beratungsstelle für Natürliche Geburt und Elternsein e.V.).

    Geben in der Yoga-Philosophie

    Unzählige Begriffe und Konzepte in der Yogaphilosophie, insbesondere in den alten Texten wie der Bhagavad Gita oder den „Yoga Sutras“ von Patanjali beschrieben, belegen eine tiefe und nuancierte Perspektive des Yoga zum Thema Geben oder Dharma (Pflicht, moralisches Handeln).

    Beispiele gefällig? Hier sind sie:

    Seva

    Eine der wichtigsten Praktiken im Yoga ist Seva, das bedeutet, selbstlosen Dienst zu leisten (Bhakti Yoga). Dies wird als Weg gesehen, um das Ego zu transzendieren und die Verbindung mit allen Lebewesen zu fördern. Durch das Geben ohne Erwartung einer Gegenleistung entwickelt man Mitgefühl und Liebe.

    Karma Yoga

    Einer der vier Hauptwege des Yoga ist Karma Yoga, der Weg der selbstlosen Handlung. Hierbei wird betont, dass Handlungen (inklusive das Geben) ohne Anhaftung an die Ergebnisse durchgeführt werden sollen. Das Ziel ist es, sich von den Ketten des Karma zu befreien, indem man handelt, um zu dienen, nicht um zu erlangen.

    Ahimsa

    Ahimsa bezeichnet eines der Yamas (moralischen Gebote) in der Yogaphilosophie nach Patanjali, und es ermutigt zu einer Haltung des Gebens durch Nicht-Verletzen und Liebe zu allen. Das Geben wird hier als Ausdruck von Mitgefühl und Verständnis für das Leid anderer gesehen.

    Dharma

    Das Konzept des Dharma umfasst das moralische und ethische Verhalten, das für das Wohl aller beiträgt. Geben ist Teil dieses Pflichtbewusstseins, das sich auf das Wohlergehen der Gemeinschaft und die Balance im Universum konzentriert.

    Zusammengefasst betrachtet die Yogaphilosophie das Geben als integralen Bestandteil des spirituellen Wachstums und der Selbstverwirklichung. Es ist eine Praxis, die nicht nur den Empfänger, sondern auch den Gebenden erhebt, indem sie das Ego verringert, Mitgefühl fördert und das Bewusstsein für die Einheit allen Lebens verstärkt.

    Fazit

    Für andere da zu sein, Empathie zu zeigen, ist eine zentral menschliche Eigenschaft. In vielen philosophischen und spirituellen Traditionen wird Empathie als wesentlicher Teil der menschlichen Natur betrachtet, der zur moralischen und spirituellen Entwicklung beiträgt. Zum Beispiel in der Yogaphilosophie oder in christlichen Lehren über Nächstenliebe.

    Ungeachtet dessen, dass meiner Ansicht nach auch andere Lebewesen emphatisch sind, fühlt sich das eigene Leben für mich erfüllter an, wann immer ich aktiv etwas zurückgeben darf.

    Vielleicht findest auch Du einen Weg, für andere da zu sein. Und vielleicht kann eine solche Unterstützung auch Dir einmal in einer schwierigen Zeit im Leben helfen, weiter voranzugehen…

    Solltest Du gerade selbst von dem Verlust eines Kindes betroffen sein, erwäge bitte die Kontaktaufnahme mit lokalen Verbänden, ähnlich den hier genannten. Der persönliche Austausch mit Menschen, die in einer ähnlichen Weise betroffen waren oder sind, kann ungemein hilfreich sein.

  • Worin besteht die Verbindung von Yoga und Minimalismus

    Worin besteht die Verbindung von Yoga und Minimalismus

    Auf den ersten Blick scheinen diese beiden Begriffe wenig miteinander zu tun zu haben. Yoga stellt für viele heute eine Sportart dar. Minimalismus ist mit den unterschiedlichsten Assoziationen belegt, wie Minimalismus in der Kunst, in der Architektur oder in der Literatur.

    Es gibt jedoch in unterschiedlichen Aspekten interessante Verbindungen zwischen Yoga und Minimalismus. Diese sind eher philosophisch und lebensstil-orientiert und nicht direkt oder kausal:

    Einfachheit und Konzentration


    Im Kern ermutigt Yoga zur Einfachheit. Bei vielen Yogapraktiken geht es darum, Ablenkungen zu reduzieren und sich auf Atem, Körper und Geist zu konzentrieren. Dies zeigt sich in Praktiken wie der Meditation, bei der es darum geht, den Geist von Unordnung zu befreien und sich auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren.

    In ähnlicher Weise geht es beim Minimalismus darum, den eigenen Besitz und die eigenen Verpflichtungen auf das wirklich Wesentliche zu reduzieren und so ein Leben in Einfachheit, Konzentration und Zielstrebigkeit zu fördern.

    Loslassen


    Körperliche Yogastellungen lehren uns Übenden oft, Spannungen loszulassen, sowohl körperlich als auch geistig. Dies spiegelt das minimalistische Prinzip des Loslassens von unnötigen Besitztümern oder geistigem Ballast wider.

    Der Akt des (physischen aber auch psychischen) Entrümpelns im Minimalismus ist gleichbedeutend mit dem Loslassen von körperlichem und emotionalem Ballast und fördert ein Gefühl der Freiheit und des Friedens, ähnlich dem, was man nach einer Yogastunde erleben kann.

    Achtsamkeit


    Sowohl Yoga als auch Minimalismus setzen sich für Achtsamkeit ein. Die körperliche Yogapraxis fördert die Achtsamkeit für den eigenen Körper, den Atem und die Gedanken während der Praxis, während Minimalismus die Achtsamkeit für die eigenen Konsumgewohnheiten, den Lebensraum und das Zeitmanagement fördert. Doch bei beiden Prinzipien endet die Achtsamkeit nicht hier, sondern stellt eher einen Ausgangspunkt für einen achtsamen Umgang mit unserem Umfeld und unserer Umwelt dar.

    Nachhaltigkeit und Umweltbewußtsein

    Viele yogische Philosophien, insbesondere die der alten Traditionen, fördern ein Leben in Harmonie mit der Natur. Dies deckt sich mit dem Ansatz der Minimalisten, zu reduzieren, wiederzuverwenden und zu recyceln.

    Indem sie weniger konsumieren und Qualität der Quantität vorziehen, praktizieren Minimalisten von Natur aus eine Form der Nachhaltigkeit, die dem Yoga-Prinzip des Ahimsa (Nicht-Schaden) entspricht.

    Gesundheit und Wohlbefinden


    Beide Praktiken zielen auf eine ganzheitliche Gesundheit ab: Yoga durch körperliche und geistige Übungen und Minimalismus durch die Reduzierung der Komplexität des Lebens, die zu Stress und gesundheitlichen Problemen führen kann.

    Kulturelle Überschneidungen

    In der heutigen Zeit gibt es kulturelle Überschneidungen, wenn Yogastudios eine minimalistische Ästhetik oder Workshops zum Thema Minimalismus anbieten, was zeigt, wie sich diese Philosophien im täglichen Leben ergänzen können.

    Fazit

    Auch wenn es keine direkte, inhärente Verbindung zwischen den beiden Philosophien gibt, haben sie doch Gemeinsamkeiten in ihrem Streben nach Frieden, Klarheit und Einfachheit.

    Wer die eine Philosophie praktiziert, findet die Prinzipien der anderen vielleicht auf natürliche Weise ansprechend oder nützlich. Man kann Yoga praktizieren, ohne sich dem Minimalismus zu verschreiben, oder Minimalist sein, ohne Yoga zu praktizieren, aber viele finden, dass die Beschäftigung mit beidem ihr allgemeines Wohlbefinden und ihren Lebensstil verbessert.

    Ein Grund mehr, warum MINIM YOGA entstanden ist…

    Wenn Dich das Thema Minimalismus mehr interessiert, findest Du auch viele Anregungen bei Joshua Becker.

  • Wie orientiert man sich im Yoga-Dschungel

    Wie orientiert man sich im Yoga-Dschungel

    Hatha Yoga • Ashtanga Yoga • Vinyasa Yoga • Iyengar YogaYin Yoga • Yin Yang YogaKundalini YogaAnusara YogaBikram Yoga • Power Yoga • Vini Yoga • Air YogaFaszien Yoga

    Welches Yoga machst Du?

    Als mir in der Vergangenheit diese Frage gestellt wurde, konnte ich gar nicht antworten. Meine Yogaklasse hatte keinen offiziellen Namen und der Stil war eher ein Mix aus vielen Elementen.

    Selbst nach einem tieferen Einblick in die unterschiedlichen Yogasysteme und viele unterschiedliche Yogaklassen später, kann ich noch immer keine eindeutige Antwort geben. Wenn ich alleine praktiziere, mache ich „mein Yoga“. Dieses ist an meine Tagesform und meine aktuellen Bedürfnisse angepasst. Es finden sich Elemente von Meditation, Vinyasa Yoga, Hatha Yoga und Pranayama in unterschiedlicher Gewichtung in meiner persönlichen Praxis. Manchmal bleibe ich unerwartet in meinem Sitz, weil die Meditation sich so gut anfühlt. Ein anderes Mal ist es ein dynamischer Flow, der mir gut tut. Und zuweilen genieße ich eine Praxis mit Harmonium und Gesang.

    Yogakommerzialisierung

    Heute kennt so gut wie jeder den Begriff „Yoga“ und verbindet damit Entspannung, Sport, Gymnastik. Aber die Vielzahl an Yogaarten, die sich inzwischen entwickelt haben, lassen sich kaum mehr überblicken. Und die vorstehende Aufzählung ist bei weitem nicht abschließend.

    Seit den 90er Jahren steht Yoga für ein Milliardengeschäft. Der wirtschaftliche Yogaumsatz wurde bereits im Jahr 2017 auf 65 Milliarden Euro geschätzt, Tendenz steigend. Für das Jahr 2025 wird weltweit ein Volumen von etwa 200 Milliarden Euro erwartet (Quelle: ScottMax).

    Für die inzwischen geschätzt 300 Milliarden Yogis weltweit ist Yoga auch ein Lifestyle, der für Gesundheit und Selbstfürsorge steht. Die sogenannten Yogapants sind in einigen Teilen der Welt mehr Statement („ich bin hip und fit“) als Kleidungsstück. Und schicke Yogastudios sind aus großen Städten im Westen nicht mehr wegzudenken.

    Wenig verwunderlich ist daher, dass viele Yogastile heute ebenfalls Markencharakter haben. Und Studios, die wie Franchise-Unternehmen funktionieren, sind keine Besonderheit mehr, wie beispielsweise Bikram-Yoga-Studios oder Jivamukti-Yoga-Studios überall in der Welt.

    Aber ist diese Vielfalt wirklich ein neues Phänomen, das mit dem weltweiten Erfolg von Yoga zu tun hat?

    Der Einfluss der Lehrer

    Der moderne Yoga, wie wir ihn heute kennen, hat sich aus einem Austausch der indischen Kultur und der westlichen Kultur entwickelt. Dabei spielten die alten indischen Schriften zum Yoga und alten Yogatraditionen eine große Rolle. Aber es flossen auch Elementen der indischen Ringerkultur, sowie Einflüsse der westlichen Gymnastik- und Bodybuilderkultur hinein. Vor allem aber wurde der moderne Yoga von den Lehrern geprägt, die diesen in die Welt getragen haben.

    Swami Vivekananda kam als erster Botschafter des neuzeitlichen Yoga in den Westen. 1893 sprach er als Vertreter des Hinduismus beim Weltparlament der Religionen. Hier präsentierte er Yoga vor allem als universelle spirituelle Praxis. Denn nach Meinung Vivekanandas mangelte es dem Westen vor allem an Spiritualität, die Indien den Brüdern und Schwestern im Westen bieten konnte. Besonders geeignet schienen ihm die Vedanta Philosophie sowie das Yoga des Patanjali und die Bhagavad Gita.

    Anders als im Westen, wo Vivekananda (bedarfsorientiert) mehr Spiritualität predigte, rief er in Indien zu mehr körperliche Betätigung auf. Diesem Aufruf folgend entwickelten sich in Indien die Ursprünge der heutigen körperbetonten Yogabewegung (Asanapraxis). Zwei Strömungen erlangten im Westen besonders große Bekanntheit.

    Showyoga aus Mysore

    Tirumalai Krishnamacharya gilt als der Vater des modernen Yogas, der im Palast des Maharaja („Großer König“) von Mysore ein Yogatraining für die Söhne des Königs entwickelte, das auf körperliche Kraft, Durchhaltevermögen und Muskeltonus ausgerichtet war. In regelmäßigen Bühnenshows präsentierten er und seine Schüler einen modernen Yogastil, der stark beeinflusst war von westlicher Gymnastik und Übungen aus indischem Kampfsport. Ein bekanntes Beispiel hierfür sind die von ihm entwickelten Sonnengrüße Surya Namskar.

    Wenn heute manchmal kritisiert wird, dass Yoga für einige nur noch instragram-taugliche Posen beinhaltet, vergessen wir, dass die Wurzeln unsere modernen Yoga auch schon beim Vater des modernen Yoga, Krishnamacharya, Show-Charakter hatte (Quelle: Yogaazur.fr):

    Vor allem durch seine berühmten Schüler wurde der Yogastil aus Mysore im Westen und weltweit populär gemacht.

    Krishnamacharyas berühmte Schüler

    So gehört hierzu Indra Devi als erste Yogini im Westen, die als eine schwedisch-russisch-amerikanische Schauspielerin unter Krishnamacharya in Mysore gelernt hat und Yoga dann als körperliches Workout in den USA populär machte.

    In Yogakreisen ebenfalls sehr bekannt ist B.K.S. Iyengar, der seinen Fokus auf die körperliche Anatomie setzte und Yoga als therapeutisches Instrument nutzte. Typisch für Iyengar Yoga, wie der nach ihm benannte Yoga Stil genannt wird, sind unter anderem eine sehr exakte Ausrichtung und die Verwendung von Hilfsmitteln wie Kissen, Stühle, Seile, Holzklötzchen usw., um die Wirkung von Asanas zu steigern oder Probleme der Ausübung aufgrund von Behinderungen zu umgehen.

    Und dann war da noch Pattabhi Jois, der später das von ihm gelehrte Hatha-Yoga-System unter dem Namen Ashtanga Yoga bekannt machte. Ashtanga Yoga, ein sehr dynamischer und athletischer Yogastil, zeichnet sich durch eine Synchronisation von festgelegten Serien von dynamisch ausgeführten Yogastellungen mit dem Atem aus.

    Auch die Kinder von Krishnamacharya, darunter zwei Söhne, trugen zur Bekanntheit des Mysore-Stil-Yoga bei: T.K.V. Desikachar mit seinem therapeutischen Vini-Yoga und T.K. Shribbhashyam, der den Yogastil seines Vaters mit den Lehren des Ayurveda kombinierte und nach Frankreich brachte.

    Bodybuilder Yoga aus Kalkutta

    Eine weitere körperbetonte Yogaströmung entsprang der bekannten Yogafamilie Ghosh aus Kalkutta. Aus dieser gingen zwei Brüder hervor, die beide körperbetonte Yogastile präsentieren sollten.

    Aus dem älteren Bruder Mukunda Lal Ghosh wurde der später bekannte Yogananda, der den Bestseller „Autobiographie eines Yogi“ schrieb. Yogananda entwickelte Yogoda eine Mischung aus vereinfachten Yogahaltungen und energetisierenden Freiübungen.

    Sein jüngerer Bruder war Bishnu Charan Ghosh, der primär Bodybuilder war.

    B.C. Ghosh entwickelte, zunächst für das Training von Bodybuildern, die berühmte Asanafolge, die einer seiner Schüler, Choudhury Bikram, als Hot-Yoga oder auch Bikram Yoga in den Westen brachte. Spannend hierzu ist der Film Bikram: Yogi, Guru, Predator).

    Yoga lebt von Lehrer und Schüler

    Schon lange vor dem, was wir als modernen Yoga kennen, war der Yoga in höchstem Maße durch den Lehrer bzw. Guru geprägt. Dieser lebte in mehrjähriger Schüler-Lehrer-Beziehung mit seinem Schüler, um diesem in mündlicher Überlieferung die Geheimlehre Yoga zu übertragen.

    Und auch später, als die ersten indischen Lehrer im 19. Jahrhundert unterschiedliche Yogastile entwickelten, in den Westen brachten und dort unterrichteten, hat jeder von ihnen dem Yoga seinen eigenen Stempel aufgedrückt, sei es durch die Vermischung mit westlichen Einflüssen oder durch die Anpassung auf spezifischen Bedürfnisse ihrer Schüler.

    Unverändert entwickeln sich seither immer wieder neue Yogastile, die mit unterschiedlichem Fokus die drei Haupt-entwicklungsstränge des Yoga, nämlich Yoga als Philosophie, Yoga als Therapie und Yoga als Sport, miteinander verweben. Im Ergebnis führt das zu einem immer größer werdenden Pool an Auswahlmöglichkeiten. Gerade als Anfänger kann das verwirrend sein, wenn man sich seinen für sich passenden Yogastil sucht.

    Da aber auch innerhalb eines Yogasystems oder -stils der einzelne Lehrende (mit seinen Erfahrungen und seinem Unterrichtsstil) und seine Schüler eine Yogaklasse maßgeblich beeinflussen, empfehle ich sich bei der Auswahl des für einen passenden Yogas vor allem unterschiedliche Lehrer (ruhig auch mit unterschiedlichen Stilen) auszuprobieren.

    Denn Yoga ist und bleibt ein Werkzeug, das von jedem Menschen anders eingesetzt werden kann, unabhängig davon wie ich das spezifische Werkzeug nenne.

    Yoga in Indien heute – Fokus auf Yogatherapie

    Bis heute unterscheidet sich die Yogakultur in Indien deutlich von dem, wie wir im Westen Yoga praktizieren.

    So wird in Indien in der Regel kein Gruppen- oder Klassenunterricht angeboten. Das liegt daran, dass Yoga als Therapie die meistverbreitete Form von Yoga in Indien darstellt. Hier wird in klinikartigen Yogainstituten ein auf den jeweiligen Schüler/Patienten eine maßgeschneiderte Praxis zusammengestellt, die dieser zunächst unter Anleitung und später oder parallel zuhause anwenden soll.

    Der Gruppenunterricht – ein Yoga für alle – ist indes die Ausnahme und richtet sich in der Regel an die Ausbildung von Yogalehrenden oder an Ausländer.

    MINIM YOGA als Mix

    Ich selbst genieße die Energie, die sich daraus ergibt, mit einer Gruppe von mehreren Schülern Yoga zu praktizieren, unabhängig davon, ob ich selbst einer davon bin oder unterrichte.

    Zugleich habe ich durch das Unterrichten erkennen müssen, wie unterschiedlich wir Menschen doch voneinander sind. Nicht nur, weil in einer offenen Studioklasse unterschiedliche Level, Alter, Geschlechter und Zielsetzungen zusammenkommen, sondern auch, weil selbst in einer vergleichsweise homogenen Klasse (beispielsweise in einem Teachertraining) jeder Körper anders ist.

    Um dem besser gerecht zu werden und auf den einzelnen eingehen zu können, bevorzuge ich den Einzel- und Kleingruppenunterricht in privater Atmosphäre. Hier- in einem geschützten Raum – fällt es leichter sich als Praktizierender auf sich selbst zu konzentrieren und in die eigene Mitte zukommen. Um alles loslassen zu können.

    Und als Begleiter kann ich meinen Unterricht besser auf die Bedürfnisse des Einzelnen und die körperlichen Besonderheiten ausrichten.

    Viel Freude an Deinem Yoga – egal wie Deine Praxis heute für Dich aussehen mag.

  • Weniger Handy – mehr Zeit zum Leben

    Weniger Handy – mehr Zeit zum Leben

    Ist es nicht unglaublich, wie viel Zeit wir mir diesem neuen Gadget verbringen? Wer wie ich noch in den 80er Jahren groß geworden ist, erinnert sich daran, wie ein Leben ohne Mobilfunkgerät war. Weder Kinder noch Jugendliche hatten ständig einen oder mehrere Bildschirme („glowing screens“) zur Hand.

    Stattdessen gab es in den meisten Familien einen einzigen Fernseher mit weniger Programmen als Finger an einer Hand und ein schnurgebundenes Telefon. Letzteres war für wichtige Mitteilungen reserviert. Auf keinen Fall sollte es längere Zeit besetzt sein, nur für den Fall, dass eine wichtiger Anruf eingehen sollte. In meiner Teenagerzeit in den 90er Jahren habe ich längere Telefonate in einer Telefonzelle in der Nachbarschaft geführt. Oder mich doch lieber gleich mit der besten Freundin getroffen.

    Früher war alles … anders

    Nein, ich will nicht sagen, früher sei alles besser gewesen. Aber unsere Generation hatte noch eine Kindheit in Bäumen, Parks, Schwimmbädern, auf Spiel- oder Sportplätzen und Rasenflächen in der Nachbarschaft. Wir haben uns verabredet und getroffen, um uns auszutauschen. Und wir haben gespielt, gebaut, uns ausprobiert, geträumt und uns über unseren Tag ausgelassen. In Kontakt miteinander.

    Wenn ich meine Erfahrungen mit denen meiner Kinder vergleiche, könnten für mich die Unterschiede zumindest in der Jugend nicht größer sein.

    Kontakt lieber digital

    Und wenn ich mir mein erwachsenes Umfeld ansehe, fällt auf, dass die mobilen Bildschirme oft den Austausch mit anderen ersetzen. Statt anzurufen wird getextet, soziale Netzwerke sollen uns in Kontakt mit einander halten. Auf der Straße, in Warteschlangen an Kassen oder in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist der Blickkontakt mit Fremden selten geworden. In Restaurants füllt das gemeinsame Scrolling oft die Gesprächspausen und bei so manchem Freund fällt auch auf Parties der Blick sofort auf das bereitliegende Handy, wenn der Bildschirm aufleuchtet, ungeachtet dessen, mit wem man sich gerade unterhält.

    Immer seltener beobachtet man, dass Erwachsene über eine längere Dauer Ihre Aufmerksamkeit auf eine Sache konzentrieren können oder wollen. Beim Fernsehen liegt das Tablet bereit, das Mobiltelefon hat man ohnehin immer bei sich (damit man nichts verpasst) und so kann man, während man die Lieblingsserie verfolgt parallel noch schnell Besorgungen machen und auf Nachrichten reagieren.

    Warum wollen wir immer erreichbar sein?

    FOMO – Fear Of Missing Out.

    Nein, wir wollen nichts verpassen. Nicht außen vor sein, nicht zu denen gehören, die nicht wissen, worüber die Welt redet.

    Aber warum? Warum ist es so wichtig geworden, bei allem dabei zu sein? Weil wir unseren eigenen Wert daran knüpfen, dabei zu sein?

    Der Mensch ist ein soziales Wesen. Es war evolutionär schon immer von großer Bedeutung, dass wir in einem stabilen sozialen Gefüge leben. Außenseiter waren vom Aussterben bedroht. Wer nicht einem Stamm angehörte, wer ausgestoßen wurde, hatte kaum Überlebenschancen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass wir schon bei dem Gedanken, nicht dazu zu gehören, ein unangenehmes Gefühl verspüren.

    Wir Menschen haben im Laufe der Evolution gelernt, größere soziale Gefüge zu bilden, wobei nach einer bekannten Theorie unsere spezielle Begabung des Geschichtenerzählers (uns und anderen) erst den Aufbau ganzer Zivilisationen ermöglichte. Yuval Noah Harari beschäftigt sich in mehreren Büchern mit dieser Begabung, diesem Verhaltensmuster, das unsere Spezies so besonders zu machen scheint, so dass wir auch ohne „Instinkt der Massenkooperation“ in riesigen Städten und politischen Reichen zusammenleben und -arbeiten können.

    Es ist also natürlich, dabei sein oder zumindest nichts verpassen zu wollen.

    Digitale Kontakte sind bequemer als reale Kontakte

    Und hier kommt die besondere Stärke der digitalen Medien und der Digitalisierung unseres Soziallebens zum Tragen: Digital ist bequem. Ich kann von der Couch in meine Lieblingsdecke gekuschelt in Kontakt mit der gesamten Welt treten. Und bleibe doch in meiner Komfortzone.

    Spätestens seit den Monaten des Lockdowns während der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 bis 2022 haben wir alle Gebrauch machen müssen von den digitalen Medien, um uns zu informieren, unseren Berufen nachzugehen, unsere Kinder zu beschulen, soziale Kontakte aufrecht erhalten zu können, einzukaufen und und und.

    Und durch diese prägenden Erfahrungen haben viele von uns verlernt (oder gar nicht erst gelernt), im realen Leben Kontakte zu knüpfen und zu pflegen.

    Aber sind digitale Kontakte auch erfüllend?

    Diese Frage kann natürlich nur jeder für sich beantworten. Und die Antwort ist auch abhängig vom Kontext. Was für eine Art von Kontakt betrachte ich?

    Wenn ich eine technische Frage zu meinem defekten Staubsauger habe, kann für mich sogar der Kontakt mit einer Künstlichen Intelligenz (interessant zum Thema KI auch das Buch „The Comming Wave„) zielführender und für meine Problemstellung erfüllender sein als der Kontakt mit einer echten Person (deren Leitung möglicherweise ständig belegt ist, weil sie sich nicht einfach multiplizieren lässt). Andererseits gibt es sicherlich für jeden Menschen Bereiche, in denen der physische Kontakt mit einer Person sich durch nichts anderes zufriedenstellend ersetzen lässt.

    Die digitale Welt kann ein Zeiträuber sein

    Viele kennen das. Man greift nach dem Handy, weil man eine Nachricht lesen wollte, und unmittelbar davor oder danach fällt einem etwas anderes ein, was man unbedingt nachsehen, kaufen, schreiben, beantworten wollte und man kommt von einem zum anderen. Schwuppdiwuppp ist eine halbe Stunde vergangen, in der man ausschließlich mit seiner Aufmerksamkeit bei seinem Handy war. Und aus der halben Stunde werden ohne weiteres über einen Tag verteilt mehrere Stunden.

    Als ich vor einigen Jahren immer nur im Urlaub Zeit für eine regelmäßige Yogapraxis gefunden habe, bin ich über die damals neue Funktion meines Handys Anzeige der Bildschirmzeit gestolpert. Und war ehrlich gesagt schockiert, wieviel Zeit ich da verschwendete. Zeit, die mir für andere Dinge fehlte.

    Und ich musste mir eingestehend, dass ich nicht zuwenig Zeit im Alltag hatte, sondern die falschen Dinge priorisierte. Statt (zur vermeintlichen Entspannung) durch Instagram zu scrollen, konnte ich auch eine halbe Stunde meditieren. Statt zehnmal am Tag meine E-Mails zu checken und mühsam auf dem Handy Antworten zu tippen, konnte ich mir auch einmal am Tag bewusst Zeit dafür nehmen (an einem Computer) und effizient erledigen, wenn etwas erledigt werden musste. Die übrige Zeit blieb dann für andere Dinge, wie beispielsweise eine bewusste Stunde Zeit mit den Kindern oder eben Zeit für Yoga.

    Böse digitale Welt?

    Die digitalen Medien sind für sich genommen weder gut noch böse. Stattdessen sind sie Werkzeuge, die unser Leben vereinfachen können.

    Aber ich wage die These, dass wir als Menschen, deren physische Entwicklung mit der technischen Entwicklung nicht Schritt halten kann, Schwierigkeiten haben, diese Werkzeuge in einem für uns gesunden Maß zu nutzen. Unser Gehirn hat sich in den letzten 10.000 Jahren wenig entwickelt, unsere Instinkte, unsere Reizverarbeitung ist nicht an neue technische Welt angepasst, und wir werden schnell zum Opfer unserer eigenen Technik. Interessant hierzu sind die Ausführungen von Manfred Spitzer in seinem Buch Digitale Demenz.

    Das Spiel mit dem Handy

    Abschließend empfehle ich aus meiner Erfahrung, einfach die eigenen Gewohnheiten im Umgang mit Handy und Co. spielerisch zu prüfen. Ich selbst habe kleine Experimente durchgeführt, eine Beschränkung meiner Bildschirmzeit, das Löschen von Apps auf meinem Handy, den Verzicht auf das Handy für bestimmte Zeitfenster und dergleichen.

    Jetzt habe ich Zeit für eine regelmäßige Praxis und genieße die Früchte hiervon mehr als das „Entspannungs-Scrollen“ der Vergangenheit. Verpasse ich manchmal etwas? Oh ja! Sehr oft sogar. Aber in manchen Fällen lösen sich die aufgeworfenen Fragen und Probleme ehe ich überhaupt darauf aufmerksam wurde und es erübrigt sich jede Reaktion meinerseits (wieder Zeit gespart). Dieser Vorteil wiegt für mich den Nachteil, andere Dinge zu verpassen in jedem Fall auf.

    Wichtig ist die klare Kommunikation mit dem Umfeld: „Ich handhabe das so, wenn Du nicht erreichst oder etwas dringendes hast, rufe mich bitte an.“ Dann hält sich auch der Ärger des Umfelds in Grenzen, wenn man scheinbar wochenlang untergetaucht ist und nicht antwortet. Nur meine Kinder verstehen noch nicht, warum Maman am liebsten ohne Handy unterwegs ist…

    Viel Spaß beim Ausprobieren.

  • Der Weg zurück zum Selbst

    Der Weg zurück zum Selbst

    Wenn Du an Yoga denkst, hast Du vielleicht folgendes Bild vor Augen: eine durchtrainierte jungen Frau (oder ein durchtrainierter junger Mann) ist mit enger/hipper Yogakleidung und friedlichem Gesichtsausdruck in einer spektakulären artistengleichen Pose vor einem naturnahem Hintergrund gezeigt. Das entspricht im Wesentlichen der marketingbasierten Darstellung des westliche Yoga in den letzten Jahrzehnten (wie nachfolgenden von ognx).

    Yoga ist aber viel mehr. Die große Stärke von Yoga liegt meiner Meinung nach weder in einer besseren Beweglichkeit noch in Muskelaufbau oder sonstigen physischen Errungenschaften, die mit der Praxis einhergehen können. Es ist vielmehr so, dass Yoga uns (dabei) wieder in Kontakt mit uns selbst zu bringen vermag.

    Wir können zunächst unseren Geist beruhigen und dann – vielleicht nach langer Zeit endlich einmal wieder – in unser Herz blicken. Wir finden Klarheit und können erkennen, was uns wichtig ist. Möglicherweise nicht unmittelbar, denn Yoga ist ein Prozess, ein Begleiter auf unserem Lebensweg. Aber mit zunehmender Übung gelingt es immer besser zurück zu sich zu finden und sich wieder zu erkennen.

    Wann soll ich mit Yoga beginnen

    Mit Yoga zu beginnen und es zu einer liebevollen Gewohnheit zu machen, ist vor allem dann sinnvoll, wenn es uns gut geht und wir emotional geerdet sind. Denn wenn uns die regelmäßige Praxis in den guten Zeiten erst einmal zur Gewohnheit geworden ist, kann uns Yoga in turbulenten Zeiten umso besser stützen.

    Um mit Yoga zu beginnen, empfiehlt es sich aus meiner Erfahrung einen Lehrer bzw. eine Klasse zu finden, die einen als Anfänger begleiten kann, damit man von Anfang an, eine gesunde Ausrichtung erlernen und zugleich in seiner Reise zu sich selbst begleitet werden kann. Durch kleine Meditationen, Atemlenkungen oder einfache Beobachtungsübungen, die die Asanapraxis unterstützen.

    Auch im Internet finden sich unzählige Videos, Onlinekurse und dergleichen, die einem einen ersten Einblick in unterschiedliche Yogasysteme geben können. Aber der persönliche Kontakt und der erfahrene Blick eines Lehrer bietet einen echten Mehrwert, gerade am Anfang.

    Stille kann auch re-traumatisieren

    Schwieriger wird es, wenn man in schwierigen Zeiten, insbesondere nach einem traumatischen Erlebnis, sich durch Yoga mental helfen, psychisch stabilisieren und somit wieder mehr bei sich und in seinem Körper ankommen möchte.

    Denn bei Traumata kann konventioneller Yogaunterricht möglicherweise mehr Schaden anrichten als helfen. So kann es besonders schwer sein, die Stille zu ertragen, die uns die Innenschau ermöglichen soll. Auch kann nach einem Trauma der Blick nach Innen die traumatischen Ereignisse wieder zurück bringen, was je nach Art des Traumas und ohne professionelle Begleitung nicht förderlich für die traumatisierte Person ist.

    Daher ist wichtig, sehr behutsam vorzugehen und auch hier den Yoga an die persönlichen Bedürfnisse anzupassen. Die behutsame Auseinandersetzung mit sich eröffnet einen – allerdings nur mit speziell geschulten Lehrern – Raum, um auch mit schweren psychischen Traumata umzugehen. Dies hat unter anderem das Projekt Citizen2be eindruckvoll bewiesen.

    Yoga kann Körper und Geist erreichen

    Mit unterschiedlichen Yogasystemen kann es uns auch in schwere Zeiten situationsangepasst gelingen – auch über den Körper und Körperübungen – den Geist zu beruhigen, Stressempfinden zu reduzieren und wieder Zutrauen zum eigenen Körper/uns aufzubauen.

    Das Leben annehmen

    In meinem eigenen Leben musste ich, wie wir alle, lernen (ein Prozess, der noch längst nicht abgeschlossen ist), all die Veränderungen anzunehmen, die das Leben mit sich bringt, auch und gerade diejenigen, die schmerzhaft sind. Denn Leben ist Veränderung. Damit bleibt einem nur, mit dem Leben zu hadern und zu leiden, oder aber anzunehmen, was das Leben bringt und die eigenen Erwartungen loszulassen.

    Dass das alles andere als einfach ist, versteht sich von selbst. Zumal wir (in der westlichen Welt) heute mit der Vorstellung aufwachsen, wir hätten alles unter Kontrolle. Erfreulicherweise ermöglicht uns durch die moderne Medizin, Krankheiten besser zu „kontrollieren“, die Technik erleichtert uns, die „Kontrolle“ über unser Alltagsleben zu behalten und wir fühlen uns als „unseres Glückes Schmied“. Aber natürlich ist das in gewisser Weise auch eine Illusion, denn unser Einfluss ist und bleibt begrenzt.

    Das lehrt uns auch der Yoga. In der Körperarbeit (Asana) müssen wir unseren Körper so annehmen, wie er jetzt ist, und basierend darauf unsere Praxis gestalten. Jeder unterliegt dabei Limitierungen und sei es nur aufgrund des individuellen Körperbaus, den jeder von uns mitbringt. Hinzu kommt, dass wir nicht jeden Tag gleich sind, mental wie auch körperlich. Wenn wir praktizieren, liegt es an uns, unsere Limits zu erkennen und achtsam/aufmerksam zu üben, um uns nicht zu über- oder unterfordern.

    Jeder übt für sich

    Hierin liegt oft auch die Herausforderung, wenn wir nicht für uns, sondern für andere, üben. Dies gilt beispielsweise, wenn wir für Instagram-Likes uns in besonders schwierige Haltungen zwängen, oder wenn wir in einer Klasse mehr auf die anderen achten als auf uns selbst, um uns mit den anderen vergleichen.

    Gerade aber, wenn ich in meiner Praxis bei mir bleiben kann, komme ich in den Genuss, mich zu spüren und mich beobachten zu können.

    Wir können dann in schwierigen Asanas lernen, unseren Geist zu beobachten: wie er uns glauben lassen möchte, wir könnten das nicht, es sei zu schwer, zu anstrengend, die Muskeln brennen… und dann können wir uns klar machen, dass wir im Kern unseres Wesens nicht der Denker unserer Gedanken sind.

    Ich bin nicht der Denker meiner Gedanken

    Unser Geist, der uns ununterbrochen mit Geschichten über uns und unsere Umwelt füttert, entspringt nicht unserem Innersten, sondern er ist eine Sammlung von Prägungen, Erzählungen, Aufgeschnapptem, Wissen, Halbwissen und Nichtwissen. Und die meiste Zeit sind es negative Geschichten über uns. Unser Geist, unsere Gedanken, das sind jedoch nicht wir selbst, nicht der Kern unseres Selbst. Daher ist es auch nicht notwendig, dieser Stimme in uns zuviel Gewicht beizumessen. Spannender kann es sein, die Gedanken einfach mal zu beobachten und – wie ein Aussenstehender es tun würde – sich auch mal zu fragen, wie kommt mein Geist zu diesen Gedanken.

    Wer sich näher mit diesem zentralen Gedanken auseinandersetzen möchte, sollte sich mit Eckart Tolle („Ich bin nicht meine Gedanken“) und seinen Büchern vertraut machen.

    Fazit

    Jeder kann – auch mit Hilfe von Yoga – wieder den Weg zu sich selbst finden. Die Stille als Gegenspieler zu unseren destruktiven Gedanken ist wohltuend und unterstützt dabei, in Kontakt mit dem Selbst zu kommen, das wir im Alltag fast vergessen haben.

    Es gibt also noch so viel zu entdecken…

  • Mein eigener Weg zum Minimalismus

    Mein eigener Weg zum Minimalismus

    Vor einigen Jahren hätte ich mich selbst als „Shopaholic“ beschrieben.

    Wie für viele Menschen in unserer heutigen Gesellschaft fiel es mir leichter, mir etwas zu kaufen („ich gönn mir etwas“), um mich abzulenken, zu belohnen, mich (kurzzeitig) glücklicher zu fühlen, als mich mit mir selbst auseinander zu setzen.

    Jeder hat seine Gründe

    Am Ende meiner zweiten Schwangerschaft ist mein Sohn in utero verstorben. Dadurch wurde eine Zäsur in meinem Leben gesetzt. Kurze Zeit später erkrankte meine Mutter an Krebs. In dieser Zeit begann ich erst so richtig, unbewusst Konsum als Allzweckwaffe gegen schlechte Gefühle, Ängste und Sorgen einzusetzen.

    Wenige Jahre später starb meine Mutter und hinterließ mir als Einzelkind ihren gesamten Hausstand zur Auflösung. Meine Mutter war ein Ästhet, aber auch ein Sammler, und so hatten sich in ihrem Haushalt unzählige für sich genommen schöne Gegenstände angesammelt, mit denen ich nun umgehen musste. Mein erster Impuls war selbstverständlich der einer jeden guten Tochter: alles zu behalten. Aber kein noch so großes Haus kann einen weiteren Haushalt einfach aufnehmen. Und kein noch so ähnlicher Geschmack erlaubt es, zwei Generationen an Dingen einfach miteinander zu kombinieren. Das wurde mir schnell klar, als ich den ersten Karton aus ihrer Wohnung in unserem Zuhause ausgepackt hatte.

    Alles in allem habe ich viele viele Tage (und Nächte) gebraucht, um durch alle hinterlassenen Dinge durchzugehen, jeden Gegenstand (und mich selbst) zu prüfen und zu entscheiden, was ich damit machen möchte. Und diese Entscheidungen waren wirklich schwer, denn ich hatte dabei auch immer im Kopf, welche Bedeutung die Dinge für meine Mutter hatten. Wie konnte ich etwas, dass für sie so wertvoll gewesen war, einfach weggeben?

    Wohin mit all dem Überfluss

    Eine Freundin, die mein Hadern miterlebte, empfahl mir ein Buch, Marie Kondo: Magic Cleaning, das mir helfen sollte, die Dinge leichter loszulassen. Und das tat es, weil es mir ein paar entscheidende, neue Gedankenansätze zeigte:

    Für manche mögen solche Erkenntnisse einfach und intuitiv zugänglich sein, für mich waren sie es nicht.

    Ein Gegenstand kann seine Aufgabe (für mich) erfüllt haben, allein dadurch, dass er einer anderen Person (in diesem Fall meine Mutter) Freude bereitet hat, sei es durch den Kauf, das Besitzen, das Nutzen oder auch das Weitergeben. Ich musste als Erbe, der den Gegenstand übernimmt, nicht auch einen Nutzen daraus ziehen, diesen weiter besitzen. Ich durfte einfach loslassen, auch wenn es sich um eine ungetragene Mütze handelte oder ein ungelesenes Buch, und musste nicht die (auf den ersten Blick) unvollendete Aufgabe erfüllen, indem ich die Mütze trage oder das Buch lese.

    Noch schwieriger war der Umgang mit Erinnerungsstücken der Familie und all den kleinen Figuren und Dekorationsgegenständen meiner Mutter, die mich schon als Kind begleitet hatten.

    Erstere waren von Generation zu Generation weitergegeben worden, um schließlich bei mir zu landen. Durfte ich mir da wirklich erlauben, sie einfach loszulassen, weil ich sie als belastend empfand? Hatte ich nicht die Aufgabe, diese ebenfalls zu konservieren und an meine Kinder weiterzugeben?? Bis heute habe ich für mich noch nicht alle Antworten auf diese Fragen gefunden.

    Und gerade bei den vielen anderen Dingen, die auch in mir Erinnerungen weckten, musste ich begreifen, dass die Erinnerung nicht in den Dingen lag, sondern in mir. Die Dinge waren allenfalls Trigger dafür.

    Loslassen für mehr Freude

    Am Ende konnte ich über 90 % der Dinge loslassen und kam noch immer mit drei Möbelstücken und zehn Umzugskartons nach Hause. Der Großteil der genannten 90 %, die ich nicht behalten habe, fand Dank eines umfangreichen Flomarkts ein neues Zuhause. Das war ein unglaublich schönes Gefühl. Die Freude von anderen an den Dingen zu sehen, die meiner Mutter gehört hatten, und das Gefühl des Gebens (statt Konsumierens).

    Von den zehn Kartons sortiere ich noch immer regelmäßig Dinge aus, weil ich merke, dass vieles nicht zu mir passt und mir keine Freude macht. Und mit jedem Teil, das ich weggeben kann, fühle ich mich wieder freier und leichter.

    Die Erkenntnisse, die ich durch die Lektüre von Marie Kondos Büchern (es gab damals schon einen Teil 2) gewonnen habe, wendete ich dann auch auf meinen eigenen Besitzstand an. Und musste erkennen, dass ich selbst auch schon auf dem besten Wege zu einem prall gefüllte Haushalt wie dem meiner Mutter war (natürlich hatte sie dreißig Jahre Vorsprung). Und ich begann, mein Konsumverhalten zu hinterfragen und meine Schränke auszumisten.

    Nach dem Aufräumen folgt Minimalismus?

    Nach den ersten eigenen „Erfolgen“ und mehr Wohlgefühl in unserem Haus streckte ich meine Fühler weiter aus und stolperte über den Begriff „Minimalismus“ und den Blog von „The Minimalist“.

    Zunächst fühlte es sich bei der Auseinandersetzung damit, anders als bei den Büchern von Marie Kondo, für mich so an, als wollte man mir etwas wegnehmen. Ich „sollte“ mein Hab und Gut verringern, selbst die Dinge, die mir vielleicht Freude machen?!

    Anfänglich könnte man meine Faszination für den Minimalismus daher als „Faszination des Grauens“ beschreiben. Leben nur mit dem Nötigsten klingt für die Tochter einer Maximalistin eher erschreckend, wenngleich ich zu diesem Zeitpunkt ja schon die beängstigende Zukunft der ständigen Akkumulation gesehen habe.

    Weiterhin habe ich aber zu Beginn die Zielsetzung des Minimalismus nicht wirklich verstanden. Es geht nicht notwendigerweise darum, besonders wenige Dinge zu besitzen, sondern herauszufinden, was einen im Leben weiterbringt und was einen behindert.

    Besitz belastet

    „Besitz belastet“ war immer ein Satz meines Vaters. Als Studentin mit weniger als zehn Umzugskartons an Besitzstand habe ich mich immer über diesen Satz geärgert. Konnte ich mir doch selten etwas neues zum Anziehen oder neue Schuhe kaufen und hatte aus Geldmangel so wenig, nicht aus einer freien Entscheidung heraus.

    Aber letztlich ist die Aussage richtig. So kann jede noch so ersehnte Sache, hat man sie erst, zu einer Belastung werden. Minimalismus fordert uns dazu auf, zu prüfen, ob die mit allem im Leben einhergehenden Nachteile durch die persönlichen Vorteile aufgewogen werden.

    Ein Kleidungsstück kostet nicht nur Geld, sondern muss nach Hause gebracht werden, muss einsortiert und aufbewahrt werden, muss gepflegt werden und irgendwann möglicherweise auch wieder weitergegeben, recycelt oder entsorgt werden. Das klingt nicht so schlimm, aber mit jedem weiteren Gegenstand, der Einzug in unser Leben findet, wird dieser Aufwand weiter erhöht. Und unser Leben immer mehr davon beherrscht.

    Weniger ist mehr

    Minimalismus soll uns als Tool helfen, diesen Aufwand wieder zu verringern, indem wir all das entfernen, was uns nicht zumindest einen echten Mehrwert (in welcher Form auch immer) beschert. Um bei dem Beispiel des Kleiderschranks zu bleiben: wenn sich darin nur Kleidungsstücke finden, die ich regelmäßig gerne (!) trage, weil ich mich darin wohl fühle, dann muss ich mich in gleicher Weise um diese kümmern.

    ABER ich habe einen Benefit, nämlich Kleidung, die mich in meinem Leben unterstützt. All die zusätzlichen Kleidungsstücke, die sich in vielen unserer Schränke finden, ungetragen, weil zu klein, zu groß, gekauft, weil im Sale oder geschenkt bekommen (oder oder oder), brauchen ebenfalls Aufmerksamkeit, nehmen Platz weg und belasten uns im mentalen Hintergrund, ohne dass wir hier einen Mehrwert haben. Aber jemand anderes könnte einen Nutzen hiervon haben…

    Daher lohnt sich die Mühe, den eigenen Besitzstand zunächst einmal dahingehend zu prüfen, was wir wirklich brauchen, und uns von Dingen zu trennen, die wir nicht (mehr) benötigen. Ich nenne das immer: „neue Freunde für meine nicht mehr benötigten Sachen finden“. In der Regel finde ich immer jemanden, der noch etwas damit anfangen kann, sei es Kleidung, Schuhe oder Haushaltsgegenstände, Bücher etc., da ich meine Sachen sehr pfleglich behandele.

    Minimalismus heißt Bewusstheit

    Die wichtigere Seite des Minimalismus ist aus meiner Sicht aber nicht das Loslassen der Dinge, die man schon hat, sondern das Loslassen von Dingen, die noch gar nicht Einzug in mein Leben gehalten haben – sprich: weniger und bewussteren Konsum.

    Kleine Challenges, wie einen Monat NICHTS außer Lebensmittel und lebensnotwendige Haushaltsgegenstände wie Toilettenpapier oder dergleichen zu kaufen, zeigen einem die eigenen Schwächen auf. Wann habe ich das Bedürfnis, etwas zu kaufen? Welche Auslöser braucht es, damit ich kaufe? Wie kann ich mich vor diesen unbewussten von externen Umständen ausgelösten Kaufentscheidungen lösen?

    Und im Laufe der Zeit wurde aus meinem inneren Widerstand gegen das Loslassen ein neugieriges Experimentieren („worauf kann ich verzichten?“). Und ich habe angefangen zu begreifen, dass ich nicht erst dann ein Minimalist sein kann, wenn ich nur noch zwei Paar Schuhe, eine Hose und drei T-Shirts besitze, sondern es damit beginnt, bewusste Entscheidungen für und gegen Dinge zu machen.

    Ausgehend von diesen ersten Erfahrungen, lässt sich das Werkzeug „Minimalismus“ auch auf alle anderen Lebensbereiche anwenden. Für mehr Leichtigkeit im Hier und Jetzt…